Extrem saugstark und atmungsaktiv
Sie schmiegt sich weich an die Haut und wir nutzen sie als Bettwäsche, Handtuch, Jeans und T-Shirt: Seit mehr als 5000 Jahren nutzt der Mensch die Fasern der Baumwollpflanze, um daraus Stoffe herzustellen. Noch heute gehört Baumwolle neben Polyester zu den meistverwendeten Textilfasern der Welt.
In rund 80 Ländern, die in den Tropen und Subtropen liegen, werden jährlich etwa 23 Millionen Tonnen Baumwolle angebaut – das macht etwa ein Viertel der weltweiten Faserproduktion aus. Zu den Hauptproduzenten gehören Indien, China, die USA, Pakistan, Brasilien und Australien.
Immer wieder wird behauptet, die Baumwollpflanze sei sehr durstig und brauche viel Wasser. Das ist nur zum Teil richtig. Denn genaugenommen ist Baumwolle eine Wüstenpflanze, die problemlos auch mal längere Dürrezeiten überstehen kann. "Allerdings können mit Hilfe von Wasser Ertrag und Qualität verbessert werden", sagt Elke Hortmeyer von der Baumwollbörse Bremen, einer Interessenvertretung der Baumwollwirtschaft.
Die Produktion eines Baumwollshirts, für das rund 300 Gramm Baumwolle gebraucht werden, schlägt mit rund 2700 Liter sogenannten virtuellen Wassers zu Buche. So bezeichnet man die Menge Wasser, die über den gesamten Anbau- und Produktionsprozess benötigt wird.
Abhängig davon, aus welchem Land die verwendete Baumwolle stammt und nach welcher Methode sie angebaut wird, kann sich der Wert auf bis zu 15.000 Liter erhöhen. "Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit darf man jedoch nicht nur die Wassermenge heranziehen, sondern muss auch schauen, woher das Wasser stammt", sagt Thomas Stegmaier, stellvertretender Leiter der Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF).
Während eine künstliche Bewässerung aufgrund der benötigten hohen Wassermengen mitunter kritisch gesehen werden könne, sei nichts dagegen einzuwenden, wenn die Baumwollpflanzen via Regen oder mit Hilfe eines benachbarten Sees oder Flusses versorgt würden – "vorausgesetzt natürlich, das führt nicht zu einer Austrocknung des Sees oder anderen Nachteilen für die Umwelt."
Die Baumwollfaser ist beim Endverbraucher außerordentlich beliebt. Das liegt an ihren zahlreichen positiven Eigenschaften: Baumwolle kratzt nicht, sie ist atmungsaktiv und reißfest, allergikerfreundlich, kaum elektrostatisch und temperaturbeständig. Sie kann bei Bedarf problemlos in die Kochwäsche.
Und sie beherrscht ein schier unglaubliches Kunststück: Sie kann bis zu 65 Prozent ihres Eigengewichtes an Feuchtigkeit aufnehmen, ohne zu tropfen. "In der Sportbekleidung konnte Baumwolle deshalb sehr lange nicht punkten, nasse Baumwollkleidung beim Sport ist sehr unangenehm, weil die Feuchtigkeit nicht nach draußen transportiert wird", erklärt Hortmeyer, "allerdings gibt es inzwischen die Möglichkeit, durch bestimmte Verarbeitungsschritte den Baumwollanteil enorm zu erhöhen."
Dadurch entstehen Mischgewebe, die die jeweiligen Vorteile von Baumwolle (also hohe Feuchtigkeitsaufnahme) und synthetischen Fasern (Abgabe dieser Feuchtigkeit nach außen) in sich vereinen.
Die längsten Fasern haben die höchste Festigkeit
Ein weiterer Vorteil der Baumwolle: Sie ist ein nachwachsender, biologisch vollständig abbaubarer Rohstoff. Hinzu kommt, dass fast alles komplett verarbeitet werden kann. Das Öl der Saaten und der Ölpresskuchen, der nach der Ölgewinnung übrig bleibt, werden unter anderem in der Kosmetik- und der Kunststoffindustrie, für Dünger, Viehfutter, Seife oder Margarine verwendet.
Kurz nach der Blüte der Baumwollpflanze bilden sich kurze Haare namens Linter an den Samen. Die taugen nicht als Textilfasern, werden aber für Zelluloseprodukte verwendet, die beispielsweise in Lacken, Vliesen oder Banknoten benötigt werden.
Die langen Samenhaare heißen Lint, sie werden nach festgelegten Kriterien beurteilt. Neben der Faserfestigkeit, dem Reifegrad, der Farbe und der Verschmutzung spielt die Faserlänge – Stapellänge genannt – eine besonders große Rolle. Die Fasern sind meist zwischen 18 und 42 Millimeter lang. Die längsten haben die höchste Festigkeit, weshalb sich aus ihnen feinste Baumwollgarne spinnen lassen.
"Daraus können hochwertige Stoffe gemacht werden, das fühlt man auch gut", erklärt Hortmeyer. Aus der mittelstapeligen Baumwolle, die etwa 90 Prozent des Marktes ausmacht, werden alle möglichen Arten von Gewebe herstellt. Wie gut die Fasern verarbeitet worden sind, kann der Endverbraucher durch Fühlen und Dehnen des Stoffes feststellen.
Chemiefasern sind deutlich günstiger
Die Baumwollpflanze ist ein Sensibelchen: Schädlinge und Krankheiten zwingen sie schnell in die Knie. Deshalb tüfteln Wissenschaftler seit Jahrzehnten daran, das Malvengewächs robuster zu machen und gleichzeitig den Ertrag zu steigern. Mit Erfolg: Während sich die Anbaufläche von etwa 30 Millionen Hektar weltweit seit gut 70 Jahren unwesentlich verändert hat, wurden die Erträge in diesem Zeitraum fast verdreifacht.
Möglich wurde das durch neue Erntetechniken, den gezielteren Einsatz von Pestiziden, widerstandsfähiger gezüchtete Sorten und viel fachlichen Austausch über die Ländergrenzen hinweg. Dies hat zum Wachstum geführt, das aber mittlerweile an seine Grenzen gekommen ist. "Baumwolle könnte beispielsweise Polyester – rein von der Menge her – nie ersetzen", sagt Thomas Stegmaier.
Hinzu kommt: Chemiefasern, vor allem die synthetischen, sind deutlich günstiger als Baumwolle und haben gute Eigenschaften, die die Baumwolle nicht bieten kann – zum Beispiel dass sie deutlich schneller trocknen.
"In der Anbau-, Ernte- und Verarbeitungskette von Baumwolle arbeiten deutlich mehr Menschen als in der Produktion künstlicher Fasern, das macht sich im Preis bemerkbar", erklärt Elke Hortmeyer von der Bremer Baumwollbörse. Rund 200 Millionen Menschen weltweit verdienen ihren Lebensunterhalt mit der Baumwolle.
Die Arbeitsbedingungen für die Baumwollbauern und Pflücker sind teilweise stark umstritten. In einigen Ländern müssen Kinder beim Anbau und der Ernte von Baumwolle helfen. Außerdem werden dem Umweltinstitut München zufolge 16 Prozent aller weltweit eingesetzten Pestizide auf Baumwolläckern verspritzt – und machen die dort arbeitenden Menschen krank.
Wer sicher gehen möchte, dass beim Anbau der Baumwolle für sein T-Shirt keine Pestizide zum Einsatz gekommen sind, sollte darauf achten, Biobaumwolle zu kaufen. Die Baumwollbauern können darauf achten, ihren Anbau so ökologisch wie möglich zu betreiben: durch die Verwendung widerstandsfähigerer Sorten und durch ein intensives Pestizid-Management, bei dem Chemikalien nicht prophylaktisch eingesetzt werden, sondern nur bei genau ermitteltem Bedarf.
Doch der Anbau allein macht die Baumwolle nicht zum Bioprodukt. In der Fertigung der Garne und Stoffe aus dem Rohmaterial werden häufig zahlreiche Chemikalien eingesetzt. "Zwar gibt es auch hier inzwischen ökologisch unbedenkliche Alternativen, aber wirklich kontrollieren, was beispielsweise in asiatischen Fabriken vor sich geht, können wir nicht, da wird Kontrolleuren auch gerne mal was vorgegaukelt", so Thomas Stegmaier.
Weltweit gibt es einige geprüfte Siegel, die sich an den EU-Standards orientieren. Am bekanntesten sind "Organic Content Standard" (OCS) und "Global Organic Textile Standard" (GOTS). Mit dem GOTS-Siegel werden Produkte gekennzeichnet, die zu mindestens 70 Prozent aus biologisch erzeugten Naturfasern bestehen.
(Erstveröffentlichung 2020. Letzte Aktualisierung 12.03.2020)
UNSERE QUELLEN
- Faserinstitut Bremen
- Umweltinstitut München: "Anbau von Bauwolle – Fragen und Antworten"
- Eigenes Gespräch mit Elke Hortmeyer, Bremer Baumwollbörse
- Eigenes Gespräch mit Thomas Stegmaier, Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf
- Broschüre "Cottonschool" der Bremer Baumwollbörse
- Jahresbericht 2018 der Bremer Baumwollbörse
- http://www.virtuelles-wasser.de/baumwolle/
- http://www.baumwolle.at