Der Jordan – wie Israel das Wasser abgräbt
Der ohnehin schon politisch und religiös aufgeladene Konflikt zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten wird durch die Nutzung des Jordanwassers noch verschärft.
Der Nahe Osten ist eine der regenärmsten Regionen der Welt. So ist es nicht verwunderlich, dass der nur gut 250 Kilometer lange Jordan eine zentrale Bedeutung für die Wasserversorgung Israels, Syriens, Jordaniens und der Palästinensergebiete hat. In diesen Ländern müssen mehr Menschen mit Wasser versorgt werden, als der kleine Fluss hergibt.
Als Israel 1967 im Sechs-Tage-Krieg die syrischen Golanhöhen und das Westjordanland besetzte, ging es nicht nur um einen politischen Konflikt mit seinen Nachbarn. Es ging vor allem um die Wasserversorgung des noch jungen Staates, denn in den besetzten Regionen befinden sich die drei Hauptquellen und die wichtigsten Zuflüsse des Jordans.
Seitdem werden etwa 90 Prozent des Jordanwassers nach Israel geleitet, vor allem für die exportträchtige Landwirtschaft. Die übrigen Anrainer müssen sich mit dem Rest begnügen.
Jordanien benötigt vor allem das Wasser aus dem See Genezareth, durch den der Jordan fließt. Ein 1994 abgeschlossener Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien regelt im Prinzip die Wasserentnahme. Doch der See Genezareth besteht nur in den oberen Schichten aus Süßwasser. Die unteren Schichten sind salzhaltig.
Israel entnimmt mit starken Pumpen viel Süßwasser aus den oberen Schichten. Jordanien hingegen muss sich mit dem salzhaltigen Wasser aus den unteren Schichten begnügen, das erst durch teure Entsalzungsanlagen nutzbar gemacht werden kann.
Ein wirtschaftlicher Konflikt?
Während die Wasserentnahme zwischen Israel und Jordanien zumindest halbwegs geregelt ist, gesteht der jüdische Staat den Palästinensern gar keine Rechte am kostbaren Nass zu. Mit der Besetzung des Westjordanlandes sicherte sich Israel auch die gesamten Grundwasservorkommen der Region.
Palästinensischen Bauern ist es seitdem verboten, neue Brunnen zu bohren. Die Wasserentnahme aus den bestehenden Brunnen ist durch Quoten geregelt. In der Nähe der natürlichen Quellen der Palästinenser bohrten israelische Siedler jedoch neue, viel tiefere Brunnen. Zahlreiche alte Brunnen versiegten, die Palästinenser saßen vielerorts auf dem Trockenen.
Hinzu kommt, dass ein Feld, das zwei Jahre lang nicht bewässert wird, automatisch dem israelischen Staat zufällt. So wurden die palästinensischen Bauern systematisch vom Wasser abgeschnitten, während die israelische Landwirtschaft wuchs.
Experten sehen in der Wasserknappheit den vorrangigen Grund für die Ablehnung eines eigenständigen Palästinenserstaats. Denn Israel kann es sich wirtschaftlich gar nicht leisten, die Palästinenser offiziell nach Wasser bohren zu lassen.
Die Zukunft des Nilwassers
Der Nil ist der längste Fluss der Erde. Auf knapp 6700 Kilometern durchfließt er zehn Länder. Während die zentralafrikanischen Staaten am Oberlauf nicht so sehr von seinem Wasser abhängig sind, ist er für den Sudan und Ägypten überlebenswichtig.
Vor allem Ägypten könnte ohne den Nil nicht existieren. Das Land entnimmt 97 Prozent seines Wassers aus dem großen Strom. Das gesamte Leben Ägyptens spielt sich an den Ufern des Nils ab.
Aus diesem Grund handelte der 1922 unabhängig gewordene Staat bereits 1929 mit den Briten einen Vertrag aus, nach dem alle Anrainerstaaten des Nils erst Ägypten um Erlaubnis fragen müssen, wenn sie das Nilwasser nutzen wollen. 1959 einigte sich Ägypten dann mit dem ebenfalls unabhängig gewordenen Sudan auf eine gerechte Nutzung des Flusses.
Solange keines der Länder am Oberlauf des Nils Wasser abzapfen wollte, reichten diese Verträge aus. Doch als Äthiopien 1980 ankündigte, Staudämme auf seinem Territorium zu bauen, drohte der ägyptische Präsident Anwar-el-Sadat unverhohlen: "Wer mit dem Nilwasser spielt, erklärt uns den Krieg!"
Diplomatische Lösungsansätze
Jahrzehntelang hatte Ägyptens Drohkulisse Erfolg. Zudem herrschten bei vielen der südlichen Nilanrainer lange Zeit politisch instabile Verhältnisse, die ein systematisches Wassermanagement verhinderten.
Doch durch die Beruhigung der Lage in Ruanda, Uganda und Äthiopien entstand in der gesamten Region neues Konfliktpotenzial. Die Gründung der "Nile Basin Initiative" im Jahr 1999 sollte die Situation entschärfen. Sie bringt in regelmäßigen Abständen alle Nilanrainer an einen Tisch, um über Streitfragen der Wassernutzung zu diskutieren.
Tatsächlich wurde durch den regelmäßigen Dialog in den vergangenen Jahren viel Schärfe aus dem Konflikt genommen. Ob das jedoch so bleibt, ist in hohem Maße von Ägypten abhängig, das sich immer noch als Haupteigner des Nilwassers ansieht. Das geplante Toshka-Projekt etwa könnte sich negativ auf die Stimmung auswirken.
Mit dem Projekt will Ägypten die Wüste auf einer Fläche von der Größe des Saarlandes landwirtschaftlich nutzbar machen. Dazu müsste dem Nil aber deutlich mehr Wasser entnommen werden als Ägypten vertraglich zusteht.
Euphrat und Tigris – Konflikte im Zweistromland
Seit Jahrtausenden nutzen Menschen das Wasser der beiden Flüsse Euphrat und Tigris. Im Zweistromland zwischen der Türkei, Syrien und dem Irak wurde der Mensch sesshaft und "erfand" die Landwirtschaft. Die regelmäßigen Überschwemmungen brachten kostbares Wasser und nährstoffreichen Schlamm für die Felder.
Bis heute hat sich an der Bedeutung der beiden Flüsse für die Region nichts geändert, nur dass mittlerweile viel mehr Menschen mit Wasser versorgt werden müssen. Das führt zu einem ständig schwelenden Konflikt zwischen den Anrainerstaaten.
Im Gegensatz zu den Nilanrainern haben sich die Türkei, Syrien und der Irak noch nicht auf ein gemeinsames Konzept zur Wassernutzung einigen können. Jeder Staat zieht sich mit seinen Großprojekten den Unmut des anderen zu. Bereits in den 1970er-Jahren errichteten der Irak am Tigris und Syrien am Euphrat große Staudämme.
Da der Irak am Unterlauf des Euphrat liegt, sah er seine Wasserversorgung in Gefahr und drohte Syrien unverhohlen mit Krieg. Nur durch Vermittlung der Arabischen Liga und der Sowjetunion konnte ein bewaffneter Konflikt verhindert werden.
Türkei – keine Rücksicht auf andere Interessen
Den entscheidenden Einfluss auf die Wasserversorgung der Region hat die Türkei. Sie liegt am Oberlauf der beiden Flüsse und bestimmt, wie viel Wasser Syrien und der Irak abbekommen. Die Errichtung zweier Staudämme in den Jahren 1974 und 1986 führte auch hier zu Kriegsdrohungen der beiden anderen Länder. Da die Türkei jedoch der militärisch stärkste Staat der drei Anlieger und zudem Mitglied der NATO ist, blieb es bei Drohungen.
Deshalb lässt sich die Türkei auch nicht davon abhalten, an ihrem Großprojekt GAP (Güneydoğu Anadolu Projesi) festzuhalten. Dabei sollten bis zum Jahr 2010 insgesamt 22 Staudämme, neun Elektrizitätswerke und 25 riesige Bewässerungsanlagen zur Stärkung der südanatolischen Landwirtschaft und Industrie entstehen. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten wurde die Fertigstellung des Gesamtprojekts aber auf unbestimmte Zeit verschoben.
Nichtsdestotrotz bleibt der Konflikt weiterhin bestehen. Während der Irak und Syrien in dem Konflikt die Arabische Liga auf ihre Seite ziehen wollen, bemüht sich die Türkei um die Unterstützung der NATO. Beide Organisationen halten sich jedoch in ihrer Bewertung des Konflikts zurück und setzen vielmehr auf eine zwischenstaatliche Lösung.
(Erstveröffentlichung: 2011. Letzte Aktualisierung: 22.03.2021)