Schach-Duell Boris Spasski vs. Bobby Fischer (am 11.07.1972) WDR ZeitZeichen 11.07.2022 14:54 Min. Verfügbar bis 11.07.2099 WDR 5

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Spiele und Spielzeug

Schach

32 Figuren und ein Brett mit 64 Feldern: Die Regeln beim Schach sind schnell erlernt. Aber das Spiel ist äußerst vielfältig und komplex und hat Millionen von Spielverläufen.

Von Claudia Kracht

Ein Abbild des Krieges

Die Vorläufer des Schachspiels sind schon rund 1500 Jahre alt. Damals wie heute war es das Ziel, den gegnerischen König zu schlagen. Damit war das Spiel ein Abbild der Kriege, die damals tobten: Mit Elefanten, Pferden, Wagen, laufenden Boten, Generälen, Offizieren und Fußsoldaten traten früher in Indien Armeen in perfekter Schlachtordnung an, um ihren König zu verteidigen.

Etwa zu dieser Zeit, im fünften Jahrhundert nach Christus, wurde in Indien ein Brettspiel namens "Caturanga" bekannt, bei dem die Grundstellung der Figuren ähnlich aussah wie die Aufstellung der indischen Armee. Caturanga gilt heute als Urform und Vorläufer des Schach.

Von Indien aus erreichte das Spiel zunächst Persien. Die Perser gaben ihm seinen Namen: "Schah" ist noch heute das persische Wort für "König"; "matt" bedeutet im Persischen "hilflos".

Zwei Pharaonen spielen im alten Ägypten Schach | Bildquelle: akg

Im frühen Mittelalter brachten die Araber das Schachspiel über Syrien und Ägypten nach Griechenland, Süditalien, Gibraltar und Spanien. Die abstrakten arabischen Spielsteine dienten als Vorbild für die europäischen Schachfiguren, die in ihrer Form so gut wie unverändert blieben.

Schnell trat das königliche Spiel seinen Siegeszug auch in Europa an. Es fesselte die Menschen so sehr, dass die Kirche es im 12. Jahrhundert argwöhnisch beäugte und manchmal sogar als "teuflisch" verbot – auch weil oft um Geld gespielt wurde.

Zug um Zug zum heutigen Schach

Heute gibt es beim Schach sechs verschiedene Arten von Spielfiguren: Die wichtigste Figur ist der König. Wenn er geschlagen wird oder nicht mehr ziehen kann, ist das Spiel verloren. Die Dame ist die stärkste Figur, die acht Bauern sind die schwächsten. Dazu kommen je zwei Türme, Läufer und Springer.

Die heutigen Schachspielregeln bildeten sich erst über Jahrhunderte hinweg heraus. Zum Beispiel war die heute sehr mächtige Dame bei den Arabern im Mittelalter in Gestalt des "Wesirs" zunächst eine schwache Figur: Sie zog nur diagonal auf das nächste Feld und blieb somit an die Farbe des Ursprungfeldes gebunden.

Und der Läufer, damals noch in Form eines indischen Elefanten, sprang lediglich diagonal ins übernächste Feld und erreichte daher auf dem gesamten Spielfeld nur insgesamt acht Felder. Auf diese Weise war es unmöglich, einen Elefanten mit einem anderen Elefanten zu schlagen. Auch der Turm und der König gingen früher andere Wege.

Dagegen scheint sich die originelle Zugweise des Springers nie verändert zu haben. Unerklärlich bleibt allerdings bis heute, wie der Springerzug entstanden ist. Denn für diese sonderbare Bewegung – zwei Schritte nach vorn, einen zur Seite – kennt die Natur keine Vorbilder.

Wie der Spielzug des Springers entstand, ist unklar | Bildquelle: WDR/Creativ Collection

Geänderte Regeln

Überraschende Finten, mehrdeutige Aktionen, verwirrende Kombinationen: Diese Elemente des Schachspiels wurden durch die grundsätzlichen Regeländerungen Ende des 15. Jahrhunderts verstärkt. Man spielte jetzt, wie die Italiener sagten, "alla rabiosa" – "auf stürmische Art".

Erneut zeigte sich, dass Schach ein Spiegelbild gesellschaftlicher und militärischer Entwicklungen war. Denn gegen Ende des Mittelalters stürzte sich kein König mehr an der Spitze seines Heeres in die Schlacht. Und so wurde auch auf dem Spielbrett der König zu einer empfindlichen, schutzbedürftigen Figur. Er diente lediglich als Repräsentant des Spiels und konnte nie mehr als einen einzigen Schritt gehen.

Dagegen vergrößerte sich der Aktionsradius anderer Figuren: Bauern durften von nun an nicht mehr nur ein, sondern zwei Felder vorrücken. Läufer rannten über ihre Diagonalen bis an den Rand des Bretts. Die Dame eilte nach Belieben über alle Linien, Reihen und Diagonalen, bis sie auf einen Gegner traf. Sie war jetzt die stärkste Figur. Historiker vermuten, dass die Verehrung der Gottesmutter Maria als "Himmelskönigin" ihr diese Stellung eingebracht hatte.

Schachfiguren sind oft kleine Kunstwerke | Bildquelle: akg

Schach wird zum Sport

Wer sich bis ins 18. Jahrhundert hinein mit Schach beschäftigte, gehörte in der Regel zu einer bevorzugten Minderheit, die aufgrund von Vermögen und Bildung aus der breiten Masse herausragte. Schach galt als etwas Besonderes, als luxuriöser Zeitvertreib für Nichtstuer.

Das änderte sich erst im 19. Jahrhundert, als sich erste Schachclubs bildeten, oft in den Kaffeehäusern und Lokalen europäischer Metropolen. Das sportliche Element trat plötzlich in den Vordergrund; es zählten Wettbewerb und Ehrgeiz. Seitdem haben auch viele Autoren und Filmemacher das Schachspiel genutzt, um ihre Geschichten zu erzählen.

In Paris erschien 1836 die erste Schachzeitschrift. Gute Spieler wollten sich mit Konkurrenten anderer Clubs messen. Mit wachsender Mobilität durch schnelle Eisenbahnverbindungen stieg die Zahl der Turniere.

Am ersten internationalen Großturnier der Schachgeschichte nahmen 1851 in London 16 Meister aus ganz Europa teil. Überraschend siegte Adolf Anderssen, ein Gymnasialprofessor für Mathematik aus Breslau.

Russische Dominanz bei den Weltmeisterschaften

Schachweltmeisterschaften fanden zunächst in unregelmäßigem Abstand statt: immer wenn der amtierende Champion herausgefordert wurde und diese Herausforderung annahm. Nach einer Spielpause durch den Zweiten Weltkrieg beschloss 1948 die "Internationale Schachföderation" (FIDE oder "Fédération Internationale des Échecs") den Modus zu ändern.

Fortan organisierte die 1924 gegründete Dachorganisation des Weltschachs die Weltmeisterschaften in einem festen Drei-Jahres-Turnus: Zunächst mussten sich die Großmeister in regionalen Wettbewerben qualifizieren, um dann in Kandidatenkämpfen unter sich den Herausforderer zu ermitteln.

Ding Liren wurde 2023 Weltmeister im Schach | Bildquelle: picture alliance/dpa/TASS / Alexei Kolchin

Spätestens 1948 übernahmen Russen die Vorherrschaft im Weltschach. Schach ist in Russland eine nationale Leidenschaft. Das Land kann auf eine lange Tradition verweisen und hat ein weltweit einzigartiges, hervorragendes Fördersystem für junge Talente entwickelt.

Kein Wunder, dass jahrzehntelang bis auf einen einzigen Champion – den US-Amerikaner Bobby Fischer – von 1948 bis 2007 alle Titelträger aus der Sowjetunion beziehungsweise Russland kamen. Darunter waren Michail Botvinnik, Boris Spasski, Anatoli Karpow und Garri Kasparow.

Der Inder Viswanathan Anand hielt den Weltmeistertitel sechs Jahre lang, von 2007 bis 2013. 2013 wurde dann der Norweger Magnus Carlsen mit 23 Jahren Weltmeister, 2023 löste ihn der Chinese Ding Liren ab.

(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 24.10.2023)