Vorbild Island
Doch bisher spielt die umweltfreundliche Energiequelle Erdwärme im Energiemix bei uns keine große Rolle. Die Nutzung sei nicht überall wirtschaftlich genug, die Technik noch zu unausgereift, bemängeln Kritiker.
Nachdem es in einigen Geothermie-Kraftwerken zu Schäden an Gebäuden und Straßen kam, hat die Geothermie in Deutschland ein Imageproblem.
Wie umweltfreundlich und kostengünstig die Energiequelle Erdwärme genutzt werden kann, zeigt das Beispiel Island. Mehr als 30 aktive Vulkane, dazu Geysire und heiße Quellen sind sichtbare Zeichen des enormen geothermischen Potenzials Islands.
In wenigen hundert Metern Tiefe herrschen Temperaturen von bis zu 350 Grad Celsius. Mehr als genug, um 90 Prozent aller Haushalte über heißen Wasserdampf mit Wärme zu versorgen.
Gleichzeitig wird der heiße Wasserdampf auch benutzt, um über Turbinen in Geothermie-Kraftwerken Strom zu erzeugen.
Island will sich in seiner Energieversorgung unabhängig von fossilen Brennstoffen machen. Mit überschüssiger Energie wird Wasserstoff erzeugt, der als Energieträger der Zukunft gilt.
Natürlich sind die Voraussetzungen für die Erdwärmenutzung in Island dank der besonderen geologischen Situation mit den vielen Vulkanen einzigartig. Aber auch in Mitteleuropa könnte man Erdwärme nutzen. Potenzial ist vorhanden.
Mit Erdwärme über kalte Winter
Auch in Mitteleuropa gibt es etliche Thermalquellen. Schon die alten Gallier, Kelten und Germanen wussten die Erdwärme in kalten Wintern zu schätzen. Ausgrabungen zeigten, dass die Römer in Pompeii sogar schon Villen über antike Fernwärmenetze versorgten.
1332 wurde in Chaudes-Aigues im Süden des französischen Zentralmassivs die weltweit erste kommunale Wärmeversorgung installiert. Und von Dampf erhitzter Boden war die Grundlage dafür, dass in der Toskana ab dem Mittelalter Gemüse selbst im Winter angebaut werden konnte.
Schon bei den Römern und noch heute sind Thermalquellen beliebt
Das älteste Erdwärmekraftwerk der Welt
In Italien begann die Geschichte der modernen Erdwärmenutzung. Dort treffen die afrikanische und die eurasische Kontinentalplatte aufeinander. In der Toskana führt das zwar nicht zu Vulkanausbrüchen, aber Magma heizt dort oberflächennahe, unterirdische Wasserreservoire auf.
An mehreren Stellen bahnt sich heißer Wasserdampf seinen Weg an die Erdoberfläche. Den nutzte 1913 Graf Piero Ginori Conti in Larderello für das erste Erdwärmekraftwerk der Welt. Der Wasserdampf trieb Turbinen an und diese erzeugten Strom.
Erdwärmenutzung in Deutschland
Heißwasserreservoire nahe der Erdoberfläche sind in unseren Breitengraden selten. Doch Hausbesitzer können auch in Deutschland an einigen Standorten auf Geothermie setzen. Selbst im Winter sind die Temperaturen in oberflächennahen Bodenbereichen an manchen Orten hoch genug, um Gebäude mit Wärme zu versorgen.
Das funktioniert über sogenannte Erdwärme-Kollektoren oder in Tiefen von 100 bis 150 Metern über Erdwärme-Sonden. Derzeit sind in Deutschland mehr als 350.000 oberflächennahe Geothermieanlagen in Betrieb und jedes Jahr kommen etwa 20.700 hinzu.
Neben diesen Techniken der "oberflächennahen Geothermie" gibt es noch die Möglichkeit der "tiefen Geothermie". Mit ihr kann nicht nur Energie für Fernwärmenetze gewonnen, sondern auch Strom in größerem Umfang erzeugt werden.
Dafür wird entweder heißes Wasser aus Reservoiren in tiefen Gesteinsschichten gefördert oder kaltes Wasser in heiße, tiefe Gesteinsschichten gepumpt, dort aufgeheizt, wieder an die Oberfläche geholt und zum Antrib von Turbinen verwendet. Allerdings sind dafür oft Bohrungen in sehr tiefe Erdschichten notwendig.
Wärmeversorgung von Wohn- und Gewerbegebieten
In 3000 bis 5000 Metern Tiefe findet man in einigen Gebieten Deutschlands aber durchaus schon 160 Grad heiße Gesteinsschichten. Bei solchen Temperaturen kann sich der Betrieb von Geothermie-Kraftwerken zur Stromerzeugung bereits lohnen.
Einige solcher Kraftwerke gibt es bereits in Norddeutschland, Bayern, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Sie tragen aber nur wenige Prozent zum Anteil der Energiegewinnung aus Erneuerbaren Energien bei.
Geothermie – Technologie mit Risiken?
Die Geothermie birgt sowohl Chancen als auch Risiken. Manche Geothermie-Kraftwerke wie im elsässischen Soultz-sous-Fôrets gelten mittlerweile als Vorzeigeprojekte und liefern zuverlässig Wärme und Strom. Andere dagegen haben auch für negative Schlagzeilen gesorgt und die Bürger verunsichert.
2006 führten beispielsweise Tiefenbohrungen in Basel zu Erdbeben und sorgten für Schäden an Häusern und Straßen.
2009 löste vermutlich ein Geothermie-Kraftwerk im pfälzischen Landau ein Mini-Beben aus. Auch hier bangten die Bürger daraufhin um ihr Hab und Gut. Beide Anlagen wurden inzwischen stillgelegt, in Basel ist das Projekt sogar endgültig gescheitert.
Aufgrund der Erfahrungen haben sich Bürger, aber auch Gemeinden an anderen Standorten zu Bürgerinitiativen zusammengeschlossen und kämpfen für Baustopps. Das Image der tiefen Geothermie ist in Deutschland mittlerweile eher schlecht.
Eine Erdwärme-Bohrung in Staufen führt zum Desaster
Das betrifft auch die oberflächennahe Geothermie, obwohl es hier nur sehr selten und in letzter Zeit kaum noch zu Problemen kam. Für überregionales Aufsehen sorgen allerdings seit 2007 die Vorfälle bei Erdwärmebohrungen in Staufen im Breisgau.
In Staufen hebt sich in Folge der Bohrungen die gesamte Altstadt, mehr als 270 Gebäude wurden teilweise schwer beschädigt und es entstand Sachschaden in zweistelliger Millionenhöhe.
Seit 2011 gelten in Baden-Württemberg daher strengere Auflagen für die Nutzung der Erdwärme. So gibt es unter anderem strengere Vorschriften und Qualitätsanforderungen für Bohrunternehmen und Haftpflichtversicherungs-Summen wurden drastisch erhöht, damit im Schadensfall die Betroffenen nicht im Regen stehen.
Seitdem gab es in Baden-Württemberg keine größeren Probleme mehr bei oberflächennahen Geothermie-Projekten. Während die oberflächennahe Geothermie in Deutschland durchaus Zukunft haben könnte, ist dies bei der tiefen Geothermie noch fraglich.
Vor allem in Rheinland-Pfalz wurden viele Tiefengeothermie-Projekte erst einmal gestoppt. Möglicherweise müssen die Auswirkungen der Erdwärmebohrungen in tiefen Gesteinsschichten noch intensiver erforscht werden, genauso wie der Geothermie-Kraftwerksbetrieb an sich.
Mehr als 270 Häuser wurden in Staufen beschädigt
(Erstveröffentlichung 2007, letzte Aktualisierung 12.10.2018)
Quelle: SWR