Im Zeichen des Sputnik-Schocks
Mitte der 1950er-Jahre war die Welt in zwei gewaltige Einflusssphären geteilt, in den US-amerikanischen und in den sowjetischen Machtbereich. Der Kalte Krieg bestimmte das Denken der Politiker und Militärstrategen, auch Wissenschaft und Forschung spielten zunehmend im Wettstreit der konkurrierenden Ideologien eine tragende Rolle.
1957 schossen die Sowjets den ersten Satelliten ins Weltall
Als es der UdSSR im Oktober 1957 gelang, den weltweit ersten Satelliten, den legendären "Sputnik", erfolgreich in eine Weltumlaufbahn zu befördern, wurde der Technologievorsprung der Sowjets vor der ganzen Welt offensichtlich.
Das löste in den USA den sogenannten Sputnik-Schock aus. Fieberhaft begann Amerika unter Präsident Dwight D. Eisenhower mit einer militärisch-wissenschaftlichen "Gegenoffensive".
Die ARPA (Advanced Research Projects Agency) wurde gegründet, eine in das Verteidigungsministerium integrierte Forschungsbehörde. Ziel der ARPA war es, wissenschaftliche Projekte und Technologien zu fördern, um entsprechende Ergebnisse eines Tages militärisch nutzbar machen zu können.
Von der ARPA zum ARPANET
Kontinuierlich nahm nun die Zusammenarbeit von Instituten und Universitäten in den Vereinigten Staaten zu. Immer mehr Forschungseinrichtungen drängten auf Zugang zu den begehrten Computerressourcen.
Doch verfügbare Großrechner waren damals selten und kostspielig, längst nicht jede Forschungseinrichtung konnte es sich leisten, auf die gefragte Rechenkapazität zurückgreifen.
Computer wurden immer mehr zu Schaltstellen der wissenschaftlichen Kommunikation, gleichzeitig stieg das Bedürfnis nach einem effizienten und schnellen Datenaustausch, der gemeinsame Forschungsvorhaben erleichtern sollte.
Wenn sich also Computerkapazität nicht einfach ausbauen und vermehren ließ, mussten Verfügbarkeit und Nutzung vorhandener Computerressourcen optimiert werden. Ein neuartiger Computerverbund sollte geschaffen, Universitäten und Institute miteinander vernetzt werden.
Eine weitere Herausforderung bestand darin, die in ihrer Architektur sehr unterschiedlich aufgebauten Großrechner mit ihren spezifischen, mit anderen Systemen meist unvereinbaren Sprachen aufeinander auszurichten.
Neue Kommunikationstechniken und eine neue Technik der Datenübertragung wurden erarbeitet. Ende der 1960er-Jahre entstand das ARPANET, ein neuartiges Computernetzwerk, das allerdings nur der Legende nach im Falle eines drohenden Atomkrieges störungsfreie Kommunikation ermöglichen sollte.
Geburtsstunde des Netzwerks
Das ARPANET wurde schließlich im Jahr 1969 realisiert. Den Anfang des vernetzten Rechnerverbunds machten die Computer der vier Forschungseinrichtungen University of California in Los Angeles, Stanford Research Institute, University of Utah und die University of California in Santa Barbara.
ARPANET - das erste Netzwerk der Welt
Am 29. Oktober 1969 verbanden Wissenschaftler zwei Computer in Los Angeles und Stanford (Santa Clara) mit Hilfe einer Telefonleitung: Es war die Geburtsstunde des ersten Computernetzwerkes der Welt. Es galt mit Kühlschrank-großen Computern die Buchstaben LOG (Login) von Bildschirm zu Bildschirm zu übermitteln.
Parallel zu dieser fernelektronischen Datenübertragung verständigten sich die Computertechniker am Telefon. "Hast du das L?" - "Ich habs!" - "Siehst du das O?" - "Ja, ist da!" - "Das G?" Doch da waren die Hochleistungsrechner überlastet und stürzten ab.
Dezentrale Vernetzung
Die Architektur des neuartigen und sich bald immer weiter verzweigenden ARPANETs beruhte auf den bahnbrechenden Arbeiten von Paul Baran und Donald Watts Davies.
Eine maschendrahtartige Netzstruktur wurde geschaffen, eine dezentrale Kommunikationsstruktur, die technische Grundlage für den Austausch von Datenpaketen.
Damit ist gemeint, dass in einem Gewebe von Computern, die durch Telefonleitungen miteinander verbunden sind, keine Computerzentrale, kein Steuerungsrechner existieren sollte.
Vielmehr sollte jeder teilnehmende Rechner in der Lage sein, über sogenannte Knotenpunkte oder Knotenrechner mit jedem anderen Rechner über ein immer dichter werdendes Datennetz zu kommunizieren.
Welche Geschwindigkeit ist die beste?
Selbst wenn der eine oder andere Knotenrechner einmal ausfallen sollte, so würde die Datenweiterleitung nicht unterbrochen werden, sondern einfach über einen anderen, alternativen Knotenrechner abgewickelt.
Von vornherein wurde also ausgeschlossen, dass ein einzelnes Land, ein Staat, eine Institution oder eine Person die Hoheit über das gesamte Informationsnetzwerk gewinnt. Dieses revolutionäre, demokratische Netzwerkkonzept beinhaltete schon damals die zentralen Aspekte des heutigen Internets.
Das Internet ist nichts anderes als die gigantische, weltweite Vernetzung von bestehenden Netzwerken. Ruft heute ein Netzteilnehmer in Berlin etwa eine E-Mail ab, die in Paris losgeschickt wurde, so wurden die Datenpäckchen möglicherweise über den Umweg New York weitergeleitet.
Weltweite Vernetzung
1982 wurde das in den 1960er-Jahren entwickelte ARPANET auf TCP/IP-Standard (Transmission Control Protocol/Internet Protocol) umgestellt. Dieser sperrige Name bezeichnet eine Software, die bereits 1974 entwickelt worden war und die den Austausch von Daten und Datenpaketen zwischen verschiedenen Netzwerken reguliert.
TCP/IP liegt die Idee zugrunde, dass jeder einzelne Rechner im Prinzip mit jedem anderen Rechner über ein Datennetz kommunizieren kann. Das Standardprotokoll TCP/IP sorgt für die Verbindung der Netzwerke untereinander, es ist der Klebstoff, der viele lokale Netze zu einem großen zusammenhängenden Netz, dem Internet, verbindet.
Anfang der 1990er-Jahre entwickelte der britische Informatiker Tim Berners-Lee am europäischen Kernforschungslabor CERN das World Wide Web (kurz WWW), eine als Hypertext aufgebaute Vernetzung von Daten und Inhalten, die über einen Browser sichtbar gemacht werden konnten.
Tim Berners-Lee – der Vater des World Wide Web
Hypertext bedeutet, dass auf unzähligen Computern gespeicherte Daten durch logische Verknüpfung mittels sogenannter Links abgerufen werden können.
Als 1993 der erste grafikfähige Webbrowser mit dem Namen Mosaic veröffentlicht und zum kostenlosen Download angeboten wurde, war der Siegeszug des Internets nicht mehr aufzuhalten.
Von nun an konnten auch Laien auf das Netz zugreifen, was zu einer stetig wachsenden Zahl von Nutzern, aber auch von kommerziellen Angeboten im Netz führte.
Waren Internet und E-Mail Anfang und Mitte der 1990er-Jahre eher Exoten und Computerkennern vorbehalten, die sich auf diese neuartige Technik verstanden, ist heute der Datenaustausch über den Computer längst ein Massenphänomen.
Einer ARD/ZDF-Studie aus dem Jahr 2018 zufolge sind bereits mehr 90,3 Prozent der Deutschen im Alter über 14 Jahren im Netz – Tendenz steigend. Beruflich und privat ist die E-Mail, der elektronische Brief, neben dem Telefon zum beliebtesten Kommunikationsinstrument geworden.
Der vernetzte Computer entwickelt sich zum wichtigsten universalen Werkzeug des 21. Jahrhunderts. Wenngleich sich das reale Leben nicht auf virtueller Ebene abspielt – der an das Internet angeschlossene Computer ist längst wie der Kugelschreiber, das Auto oder das Telefon ein Instrument, das wir beruflich, geschäftlich und privat nutzen, das eine wichtige Stütze im Alltag darstellt.
Quelle: SWR | Stand: 14.02.2020, 10:13 Uhr