Wildtiere mit Persönlichkeit
Verhaltensbiologen haben herausgefunden, dass nicht nur unsere Haustiere, sondern auch viele Wildtiere eine eigene Persönlichkeit haben und im Charakter wie auch im Temperament recht unterschiedlich sein können.
Forscher beobachteten in der Vergangenheit unter anderem das Verhalten von Affen, Hyänen, Regenbogenforellen, Stichlingen, Goldfischen, Kohl- und Blaumeisen, Tintenfischen und sogar Spinnen, Ameisen und Wasserläufern – und erkannten an ihnen Eigenschaften wie Mut, Schüchternheit, Neugierde oder Durchsetzungsfähigkeit.
Gesellige und Eigenbrötler
Französische Forscher stellten zum Beispiel bei ihren Beobachtungen von Waldeidechsen fest, dass es unter den Tieren sowohl sehr gesellige Kumpanen als auch etliche Eigenbrötler gibt. Die Geselligen ziehen Orte vor, wo etwas los ist, wo also schon andere Artgenossen siedeln, während die Eigenbrötler eben diese Orte meiden.
Auch Regenbogenforellen zeigen in der Natur recht unterschiedliche Charaktereigenschaften. Britische Forscher entdeckten, dass in den Bächen mutige und schüchterne Regenbogenforellen schwimmen.
Die Kampfeslustigen sind immer die Ersten an der Futterstelle und stürzen sich ins Getümmel. Die Schüchternen warten lieber erst ab, bis abzusehen ist, dass keine Gefahr droht.
Interessanterweise können sich die Charaktere der Fische auch ändern, je nachdem, wie ihnen das Leben mitspielt. Forellen, die in einem Kampf gegen einen Kontrahenten gesiegt haben, stürzen sich noch mutiger als zuvor auf unbekanntes Futter.
Die Verlierer dagegen verhalten sich deutlich vorsichtiger, so als ob sie die Niederlage eingeschüchtert hätte.
Lange Zeit ein Tabuthema
Schon Charles Darwin ging davon aus, dass es unter den Tieren unterschiedliche Persönlichkeiten gibt. Trotzdem galt das Thema "Charakter und Tiere" lange als Tabu. Fische und Echsen mit psychologischen Begriffen wie "mutig" oder "scheu" zu vermenschlichen, widersprach der gängigen Lehrmeinung der Behavioristen, die jedes Verhalten eines Tieres auf einen einfachen Reflex zurückführen.
Inzwischen haben Verhaltensbiologen jedoch herausgefunden, dass Tiere im Kern das gleiche Stressmanagement wie der Mensch besitzen. Die Hirnmechanismen, die unser soziales und sexuelles Verhalten sowie unsere Emotionen steuern, also maßgeblich für unsere Persönlichkeitsbildung sind, sind auch bei den Tieren in ihren Erbanlagen vorhanden. Mensch und Tier ähneln sich also weit mehr, als man bisher dachte.
(Erstveröffentlichung: 2007. Letzte Aktualisierung: 05.08.2020)