Anatomie des Menschen
Der Magen
Der Magen besitzt den niedrigsten pH-Wert im ganzen Organismus, bereitet die Verdauung vor und tötet Bakterien ab. Für das Verdauungssystem ist er unverzichtbar.
Von Katrin Ewert
Eine Muskelhöhle
Wo liegt der Magen? Das ist von Mensch zu Mensch verschieden. Auch die Größe und Form variiert. Er weist in der Regel die Form eines Angelhakens auf und ist gekrümmt. Der Magen befindet sich im linken und mittleren Oberbauch direkt unter dem Zwerchfell.
"Angeschlossen an Speiseröhre und Darm bildet der Magen einen wichtigen Teil des Verdauungstrakts", sagt der Tierarzt Marcus Clauss, der an der Universität Zürich lehrt und forscht. Die Nahrung wandert zunächst durch den Magenmund, der Schnittstelle zwischen der Speiseröhre und dem Magen.
Von dort aus wölbt sich der Magengrund nach oben. Die Region unterhalb des Magenmundes heißt Magenkörper. Hier bleibt die Nahrung, bis sie durch den Magenpförtner in den Dünndarm gelangt.
Magen im Modell: Angeschlossen an Speiseröhre und Darm
"Der Magen ist ein extrem dehnbarer und elastischer Hohlraum", sagt Clauss. Er ist mit einer Schleimhaut aus drei Schichten ausgekleidet:
- Die oberste Lage ist ein Deckgewebe.
- Die mittlere Schicht heißt Verschiebeschicht: Hier sitzen die Magendrüsen, die Magensaft und Enzyme absondern.
- Der untere Teil ist eine dünne Muskelschicht.
Erst hinter der Magenschleimhaut liegt die dicke Muskelschicht, die für die Bewegung des Magens, die Perestaltik, zuständig ist. "Sie durchmischt die aufgenommene Nahrung und transportiert diese zum Magenpförtner", sagt Clauss.
Speichern, Zerkleinern, Transportieren
Bevor die Nahrung in den Dünndarm gelangt, muss der Magen einige Aufgaben erfüllen: Die Perestaltik der Magendwand durchmischt die Nahrung nicht nur, sie zerkleinert diese auch. Jährlich wird so etwa eine Tonne Nahrung zu Brei geknetet.
"Durch den Magensaft hat der Magen ein sehr saures Milieu", sagt der Magenexperte Clauss. "In dieser sauren Umgebung sterben viele der Bakterien und Erreger ab."
Im Magen geht es weiter mit der Verdauung, die mit der Aufnahme der Nahrung über den Mund begonnen hat. Enzyme spalten die Eiweiße aus der Nahrung auf und bereiten sie für den Darm vor – sie werden vorverdaut.
Und noch eine wichtige Funktion übernimmt der Magen: "Er dient als Lager und Zwischenspeicher", sagt Clauss. Häppchenweise lotst er Speisebrei zum Dünndarm.
So kommt der Körper mit wenigen Hauptmahlzeiten am Tag aus und ist trotzdem ständig mit Nährstoffen versorgt. "Ohne den Magen müssten wir kontinuierlich essen", sagt der Experte.
Aber auch wenn der Magen den gesamten Nahrungsbrei zum Darm befördert hat, kneten die Muskeln weiter. So entsteht das typische Magenknurren, wenn wir hungrig sind.
Der Magen als Speicher: Ohne ihn müssten wir ständig essen
Andere Lebewesen, andere Mägen
Eine Muskelhöhle als Zwischenspeicher im Verdauungstrakt – das Konzept ist simpel. Andere Tierarten haben in der Evolution komplexere Magen entwickelt.
Regenwürmer verdauen die Nahrung, indem sie Sandkörnchen schlucken, mit denen sie die Nahrung zermahlen. Muscheln besitzen eine Magentasche mit einem Kristallstiel, der Verdauungsenzyme freisetzt. Und viele Stachelhäuter wie See-Igel haben einen ausgestülpten Magen, der sich außerhalb ihres Körpers befindet.
Vögel besitzen wiederum zwei Mägen. "Der Muskelmagen ersetzt die fehlenden Zähne und zerkleinert die Nahrung", sagt der Tierarzt Clauss. "Viele Vögel fressen zusätzlich kleine Steine, um das Futter im Muskelmagen besser zu zermahlen." Anschließend wandert die Nahrung in den eigentlichen Magen, in den Drüsenmagen.
In Wiederkäuern wie Rindern, Schafen und Hirschen durchläuft die Nahrung vier Mägen: Pansen, Netzmagen, Blättermagen und Labmagen. "Die Tiere können den Nahrungsbrei hochwürgen und noch einmal zerkauen", sagt Clauss.
Pansen, Netzmagen, Blättermagen, Labmagen: Die vier Mägen der Kuh
Andere Tierarten haben einen ähnlichen Magen mit mehreren Kammern, können aber nicht wiederkäuen, beispielsweise Kamele, Flusspferde oder Kängurus. "Die Lebewesen besitzen sehr unterschiedliche Systeme", sagt Clauss. "Innerhalb der Gruppen ähneln sich dieser aber sehr."
Wiederkäuen oder Steine schlucken? Der Magen des Menschen ist ein Multitalent – und ist nicht darauf angewiesen. "Das liegt auch an unserer Ernährung", sagt Clauss.
Als Allesfresser benötigen wir nicht die Extras, über die andere Tierarten verfügen. Auch das Kochen von Lebensmitteln ist eine Art der Vorverdauung – die der Mensch beherrscht.
"Wiederkäuer brauchen ihre vier Mägen, um den hohen Konsum an Pflanzen zu verdauen", sagt Marcus Clauss. Und für Vögel sind die aufgenommenen Steinchen unverzichtbar, um die Körner aufzubrechen. So hat sich im Laufe der Evolution für jedes Lebewesen ein perfekt angepasstes Magensystem entwickelt.
(Erstveröffentlichung: 2016. Letzte Aktualisierung: 25.11.2020)
Quelle: WDR