Schätze von Speichern und aus Kellern
Nach Angaben der Fachzeitschrift "Trödler" finden jährlich in Deutschland über 40.000 Flohmärkte statt, mehr als zwei Millionen Menschen leben mittlerweile vom Geschäft mit dem Trödel. Doch so manch einer wird sich schon gefragt haben, was eigentlich den Reiz des Trödelns ausmacht.
Für Verkäufer ist die finanzielle Ausbeute oft eher mager, als Besucher fragt man sich nach ermüdenden Stunden in den engen Marktgässchen, warum man dieses oder jenes Teil denn überhaupt gekauft hat. Was also macht den Flohmarkt trotzdem so attraktiv? Die Antworten sind so vielfältig wie die Gegenstände, die man auf dem Flohmarkt finden kann.
Viele Flohmarkt-Schätzchen stammen aus Speichern, Kellern oder Haushaltsauflösungen. Es sind überwiegend Dinge, die schon im Besitz anderer Leute waren. Darunter gibt es echte Antiquitäten, die sich einer bestimmten Epoche zuordnen lassen, aber auch viele schöne Dinge, deren Preis und Wert von individuellen Interessen abhängt. Wichtig zu wissen: Auf dem Trödelmarkt herrscht ein eigenes Preis- und Wertesystem.
Warum ist "Trödeln" attraktiv?
Der Flohmarkt verspricht nicht nur ein kostenloses, sondern auch ein spannendes Vergnügen. Auf dem Flohmarkt kann man auf Schatzsuche gehen, Leute kennenlernen und Kurioses bestaunen. Der Flohmarkt ist daher vor allem ein Ort für Nostalgiker und Romantiker. Die Menschen, die dort handeln und verkaufen, vertreten eine bestimmte Geisteshaltung.
Viele Flohmarktfans grenzen sich bewusst von der allgemeinen Konsum- und Kaufhauskultur ab. Sie ziehen Gegenstände mit Geschichte und individueller Note vor und erteilen der Wegwerfkultur eine Absage.
Entstanden ist diese Geisteshaltung aus der Ökobewegung der 1970er- und 1980er-Jahre: "Recycling" hieß damals das große Stichwort. Die auf dem Flohmarkt erstandenen Dinge waren nicht nur günstiger, sondern auch ökologisch gut vertretbar. Und was heute für viele vielleicht noch wichtiger ist: Sie ermöglichen einen individuellen und originellen Lifestyle.
Das Publikum: Schatzjäger, Sammler und Flaneure
Laut dem Flohmarkt-Kenner und Autor Sebastian Münz hat jede Tageszeit auf dem Trödelmarkt ihr spezielles Publikum: Er unterteilt die Flohmarktgänger in Jäger, Sammler und Flaneure.
Die Jäger sind die Frühaufsteher auf den Märkten. Sie warten bereits um 5 Uhr morgens, wenn die ersten Verkäufer kommen und können es kaum erwarten, bis alle Waren ausgepackt sind. Ihr Motto: "Der frühe Vogel fängt den Wurm" – die besten Schnäppchen haben noch vor Sonnenaufgang ihren Besitzer gewechselt.
Die zweite Gruppe, die sich zeitig auf den Weg macht, sind die Sammler. Sie sind meist auf bestimmte Objekte spezialisiert. Mit fachmännischem Blick eilen sie durch die Reihen und machen schnell die Stände aus, die für ihr Sammelgebiet von Interesse sind. Jetzt wird gefeilscht, was das Zeug hält: Ob Briefmarken, Antiquitäten, Schmuck oder Porzellan, der Sammler kennt die Preise für die Objekte seiner Begierde ziemlich genau.
Obwohl die Deutschen eher nicht der Kultur des Handelns zugetan sind, funktioniert dies auf dem Flohmarkt meist reibungslos. Für den Sammler sind Spezialmärkte von noch größerer Bedeutung als der gemeine Flohmarkt, aber auch hier kehrt der Experte ab und an mit einem Schnäppchen heim.
Zuletzt kommen die Leute, die einfach nur aus Spaß über den Trödelmarkt flanieren wollen. Sie genießen das Flair, bestaunen das bunte Treiben, treffen auf nette Menschen und kaufen den einen oder anderen – meist unnötigen – Gegenstand.
Doch neben dem Vergnügen gibt es auch andere Gründe für einen Besuch auf dem Flohmarkt. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Krisen müssen viele Menschen Gebrauchtes und Günstiges kaufen. Sie besuchen den Flohmarkt oft aus rein ökonomischen Zwängen.
Verarmte Händler
Auch so mancher Händler bekommt es zu spüren, wenn die Wirtschaft leidet. Ein Indiz dafür ist, dass immer mehr Händler ausschließlich vom Trödelmarktverkauf leben.
Viele Trödler, insbesondere die Antiquitätenhändler, besaßen früher ein Ladenlokal, in dem sie ihre Ware anbieten konnten. Doch in Zeiten von Wirtschaftskrisen sind einige schlicht nicht mehr in der Lage, ihre Geschäftsmieten zu zahlen. Diese Händler sind darauf angewiesen, ihr ganzes Einkommen auf den Flohmärkten zu verdienen.
Eingefleischte Flohmarktfans bemängeln zudem, dass das Trödelvergnügen öfter durch das Angebot von Neuwaren getrübt wird. Viele Veranstalter lassen billige Neuwaren "Made in China" auf den traditionellen Flohmärkten zu. Das lockt zwar neue Kunden an und steigert den Umsatz, vergrault aber manche alteingesessene Verkäufer.
Mancherorts hat der Ramsch aus den Dumpingländern dem traditionellen Trödelmarkt schon das Wasser abgegraben. Szenekenner bevorzugen daher Trödelmärkte, auf denen nur gebrauchte Waren zugelassen sind oder von privat an privat verkauft wird.
Flohmarkt-Konkurrent Internet
Seit den 1990er-Jahren steht Schnäppchenjägern eine weitere Plattform zur Verfügung: die virtuellen Flohmärkte im Internet, wie ebay und Craigslist. Hier kann man bequem rund um die Uhr stöbern und einkaufen, ohne einen Fuß vor die Tür setzen zu müssen.
Dabei stehen sich die traditionellen und die virtuellen Flohmärkte nicht im Wege. Im Gegenteil: Sie ergänzen sich sogar.
Flohmarktfans, die das reale Sinnerlebnis suchen, gehen weiterhin auf den Trödelmarkt. Hier kann man die Waren direkt vor Ort begutachten, man hat Kontakt zu den Verkäufern und kann die Objekte sofort kaufen und mitnehmen. Wenn man Glück hat, bekommt man sogar noch eine spannende oder persönliche Geschichte über den neuen Gegenstand dazu.
Im Internet fehlt das typische quirlige Flohmarktflair. Das Netz hat aber den Vorteil, dass man gezielter nach bestimmten Waren Ausschau halten und Preisvergleiche ziehen kann. Insbesondere bei Markenartikeln oder teuren, schwer zu transportierenden Raritäten leisten die Online-Märkte gute Dienste.
(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 02.03.2021)