Martin Luther

Die Luther-Bibel

Viele Generationen lang wurden die Texte der Bibel nur mündlich überliefert und dann schließlich auf Hebräisch aufgeschrieben. Es folgten Übersetzungen ins Aramäische, Griechische und Lateinische. Ab 1521 übersetzte Martin Luther dann die Bibel ins Deutsche.

Von Gregor Delvaux de Fenffe

Das Alte Testament in zwölf Jahren

Die eigentliche Übertragung der Bibel in die deutsche Sprache leistete der deutsche Mönch und Kirchenmann Martin Luther. Seine Arbeit begann mit dem Neuen Testament, das er 1521/22 in nur vier Monaten auf Deutsch niederschrieb. Für die Übersetzung des Alten Testaments benötigte Luther weitere zwölf Jahre. 1534 konnte er seine Arbeit vollenden.

Luther besaß nicht nur hervorragende Griechisch- und Hebräischkenntnisse, sondern sah sich darüber hinaus als ein Mann aus dem Volk. Er war beseelt von der Idee einer Übersetzung der Heiligen Schrift für die Bedürfnisse der einfachen, weniger gebildeten Menschen seiner Zeit, die zu den griechischen und lateinischen Texten keinen Zugang hatten. Eine Bibel für das ganze Volk wollte Luther durch seine Übersetzungsarbeit stiften.

Bibeltexte, die jeder verstehen kann

Luthers Arbeit war bahnbrechend, sprachgewaltig und spektakulär. Es sind gleich mehrere Faktoren, die Luthers Bibelübersetzung von Anfang an so berühmt wie unverzichtbar machen.

Der wichtigste Faktor: Bis Luther kam, waren die Texte der Bibel in Griechisch und Lateinisch gehalten und deshalb für die meisten Menschen nicht zu verstehen. Eine allgemeinverständliche Übersetzung der Bibel ins Deutsche hatte es nie gegeben. Und das sollte nach dem Willen der katholischen Kirche auch für immer so bleiben.

Denn die hielt die Texte der Bibel für durchaus gefährlich, wenn sie ungefiltert von den Christen in jener Zeit gelesen würden. Was konnte nicht alles an Missverständnissen und eigenwilligen Interpretationen in die Texte hineingelesen werden! Nur durch die Erklärung der katholischen Kirchenmänner, die sich natürlich an die Lehrmeinung der Kirche hielten, sollten die heiligen Texte an die Menschen weitergegeben werden.

Das sah Luther ganz anders. Seiner Ansicht nach sollte jeder Zugang zur Bibel haben, jeder sollte in der heiligen Schrift die Worte Gottes lesen dürfen.

Luther studierte die Bibel | Bildquelle: Interfoto/Sammlung Rauch

"Dem Volk aufs Maul schauen"

Der zweite Faktor, warum die Übersetzung revolutionär war: Luther übersetzte die Bibel nicht einfach nur, er legte sie in seiner Übersetzung aus, deutete sie in den Alltag der Menschen seiner Zeit hinein. "Dem Volk aufs Maul schauen", nannte Luther das.

Es ging ihm nicht darum, den Text in ein vulgäres Deutsch zu übertragen, wie man es in den Gassen seiner Zeit sprach. Aber es ging Luther sehr wohl darum, eine Ausdrucksweise zu finden, deren Worte und Bildhaftigkeit von jedem Deutschen, egal welcher Bildung, verstanden werden konnten.

Deswegen übertrug er schwer verständliche Vergleiche und Bilder der Heiligen Schrift, die in der Welt der Beduinen und des israelischen Volkes ihren Ursprung hatten, in die Lebenswirklichkeit der Menschen seiner Zeit.

Wie Luther das Hochdeutsch erfand

Und noch etwas ist bemerkenswert: Luther verfasste die Bibel nicht in einem Schriftdeutsch, er wählte ein mündlich gesprochenes Deutsch. Der Text der Bibel ist nicht zum Stilllesen gedacht, sondern zum Vorlesen, zum Vortragen.

Die Sprachgewalt der Lutherbibel kann für die deutsche Sprache und Kultur gar nicht hoch genug eingeschätzt werden: Luther markierte mit seiner Bibelübersetzung nichts Geringeres als den Grundstock des Hochdeutschen, das von hier aus seinen Anfang nimmt.

Die Lutherbibel ist seit der ersten Ausgabe von 1534 mehrfach überarbeitet und sprachlich angeglichen worden. Dennoch ist sie nach wie vor die offizielle Bibelausgabe der protestantischen (evangelischen) Kirche.

Luther war Reformator und gehört bis heute zu den wichtigsten deutschen Autoren aller Zeiten. Sein schriftstellerisches Werk ist riesig, seine Bedeutung für die Germanisten vergleichbar mit der von Goethe oder Thomas Mann.

Jede Übersetzung ist zugleich eine Neuinterpretation | Bildquelle: WDR/Interfoto/TV-yesterday

(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 31.03.2020)