Arabische Staaten
Die arabisch geprägte Welt erstreckt sich vom äußersten Westen Nordafrikas über die gesamte Saharazone, die Arabische Halbinsel, den Nahen Osten bis hin zu den östlichen Grenzen des Iraks. Rund 24 Staaten werden dem arabischen Kulturkreis zugeordnet, deren zentrale gemeinsame Elemente die arabische Sprache und der muslimische Glaube sind.
Doch auch hier gibt es Ausnahmen. Israel wird zwar geografisch der arabischen Welt zugeordnet, ist aber größtenteils vom Judentum und von der hebräischen Sprache geprägt. In vielen Ländern gibt es auch religiöse Minderheiten, wie die Christen im Libanon oder in Ägypten, die zwar nicht der muslimischen Gemeinde angehören, sich aber dennoch als Araber ansehen.
Es beginnt mit Mohammed
Als der Prophet Mohammed um 570 in Mekka geboren wird, besteht die Arabische Halbinsel aus einem Flickenteppich unabhängiger Städte und Stammesgebiete. Im Westen grenzt das Byzantinische Reich an die Halbinsel, im Osten das Persische Großreich.
Städte wie Mekka oder Medina treiben zwar regen Handel mit den beiden mächtigen Nachbarn, werden aber immer wieder in Konflikte mit den Großmächten hineingezogen. Die heidnischen Beduinenstämme sind zumeist untereinander zerstritten und sehen sich in erster Linie ihrem Stamm und ihrer lokalen Gottheit verpflichtet.
Um 610 empfängt Mohammed der Überlieferung nach in einer Höhle auf dem Berg Hira die göttliche Offenbarung. Allah schickt den Erzengel Gabriel, um Mohammed als Propheten zu bestimmen, der die Lehre vom einzigen und alleinigen Gott verkünden soll.
Fortan verbreitet er in Mekka seine Lehre und gewinnt schnell viele Anhänger. Als es dort zu Konflikten mit der herrschenden Klasse kommt, zieht Mohammed mit seinen Anhängern 622 nach Medina. Dort wird seine Gemeinde immer größer und mächtiger.
Doch Mohammed beschränkt sich nicht nur aufs Predigen. Als seine Anhängerschaft groß genug ist, nimmt er als Heerführer Mekka ein. Nur zehn Jahre nach dem Auszug aus seiner Geburtsstadt hat er nicht nur Mekka, sondern auch große Teile der Arabischen Halbinsel unter seine Kontrolle gebracht.
Als Mohammed 632 stirbt, hat er etwas geschafft, was vielen Herrschern auf der Halbinsel zuvor nicht gelungen war. Durch den Glauben an einen einzigen Gott hat er den arabischen Stämmen eine gemeinsame Identität gegeben. Seinen Nachfolgern hinterlässt er nicht nur eine funktionierende Gemeinde, sondern auch einen gut organisierten und bewaffneten Staat – die Grundlage für die folgenden Eroberungen.
Das Zeitalter der Eroberungen
Die Nachfolger Mohammeds finden günstige politische Voraussetzungen vor. Die beiden Großmächte Byzanz und Persien reiben sich seit langem in ständigen Kriegen gegeneinander auf. Dadurch sind sie so geschwächt, dass sie einer neuen Bedrohung nicht standhalten können. Binnen weniger Jahrzehnte fallen arabische Heere in Regionen des heutigen Syriens, Israels, Palästinas, des Iraks und des Irans ein.
Im Westen bringen sie den gesamten nordafrikanischen Raum unter ihre Kontrolle. 711 setzen die Araber nach Spanien über und erobern anschließend fast die gesamte Iberische Halbinsel. Arabische Siedler ziehen in die eroberten Regionen nach und verankern dort ihre Kultur und ihre Religion.
Im 8. Jahrhundert bestimmen die Herrscher des Abbasiden-Geschlechts das neu errichtete Bagdad als Hauptstadt ihres Reiches. Sie stützen ihre Herrschaft jedoch weniger auf arabische Gefolgsleute als auf türkisch- und persischstämmige Untertanen.
Dennoch ist unter den Abbasiden das gesamte Reich geeint und auf dem kulturellen wie wirtschaftlichen Höhepunkt. Hauptmerkmal ist jetzt jedoch nicht mehr nur die arabische Sprache, sondern vor allem auch der Islam.
Das Reich fällt auseinander
Schon im 9. Jahrhundert machen sich erste Zerfallserscheinungen bemerkbar. Während die Herrscher in Bagdad sich in Erbfolgekriegen aufreiben, erlangen an den Rändern des Reiches bereits einige Regionen Autonomiestatus. Ab dem 11. Jahrhundert fallen andere Völker an fast allen Grenzen in das arabische Reich ein.
In Europa erobern christliche Heere die Iberische Halbinsel und Sizilien zurück, in Nordafrika errichten Berber ein eigenes Reich. Aus Zentralasien fallen türkische Völker ein und bringen binnen kurzer Zeit große Teile des heutigen Irans und Iraks unter ihre Kontrolle.
Zu Beginn des 13. Jahrhundert wüten die Mongolen im arabischen Reich, 1258 machen sie Bagdad dem Erdboden gleich. Doch kein fremdes Volk hinterlässt so einen bleibenden Eindruck wie die Osmanen, die vom 15. Jahrhundert an binnen weniger Jahrzehnte von Anatolien aus fast die gesamte arabische Welt unterjochen. Für mehr als 400 Jahre herrschen sie nun über die arabischen Völker.
Der Einfluss des Westens
Lange Zeit werden die Europäer von der arabischen Welt militärisch nicht ernst genommen – bis 1798, als Napoleon Bonaparte Ägypten besetzt. In der Folgezeit teilen die militärisch überlegenen Franzosen, Engländer und Italiener im Zuge der Kolonialisierung Nordafrika und Teile des Nahen Ostens unter sich auf.
Ende des 19. Jahrhunderts ist die arabische Welt aufgeteilt in einen europäischen und einen osmanischen Einflussbereich.
Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 schlagen sich die arabischen Völker auf die Seiten der westlichen Großmächte, da sie vagen Versprechungen glauben, nach einem Sieg gegen die Osmanen die Unabhängigkeit zu erreichen.
Doch trotz der Niederlage der Osmanen werden sie bitter enttäuscht. Die Westeuropäer richten nach dem Krieg im heutigen Syrien, Jordanien, Libanon und Irak französische und britische Protektorate ein.
Unabhängigkeit und Nationalismus
Der Erste Weltkrieg kostet die europäischen Kolonialmächte viel Geld, die Kolonien werden mehr und mehr zur finanziellen Belastung. Vor allem die Briten können ihr riesiges Empire nicht mehr halten und entlassen viele Kolonien in die Unabhängigkeit. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 sind bereits Ägypten, Saudi-Arabien, der Irak und der Jemen als unabhängige Staaten anerkannt.
Der Zweite Weltkrieg tut sein Übriges. Nach den enormen Verlusten aller westeuropäischen Mächte sind die Unabhängigkeitsbestrebungen in der arabischen Welt nicht mehr aufzuhalten. Als letztes großes arabisches Land wird Algerien 1962 von Frankreich unabhängig.
Heute setzt sich die arabische Welt aus vielen unabhängigen Nationalstaaten zusammen, die es vor der europäischen Kolonisierung so nicht gegeben hat. Die von den Europäern willkürlich gezogenen Grenzen sorgen immer wieder für Unruhen in den einzelnen Staaten, da sie die zuvor gewachsenen politischen und ethnischen Strukturen nicht berücksichtigen.
Die arabischen Völker fühlen sich eher einem Stamm oder Clan verpflichtet als einem Nationalstaat. In Staaten wie dem Irak oder Libyen führte dies zur Einrichtung autokratischer Herrschaftssysteme, die nur mit massiver Gewalt das Land zusammenhalten konnten.
In Ländern wie dem Jemen oder Somalia, wo solche Herrschaftssysteme fehlen, ist der Einfluss der Staatsgewalt gegenüber dem der Clans dagegen verschwindend gering.
Arabische Liga
Sprachrohr für die arabischen Staaten ist die 1945 gegründete Arabische Liga. Ihr gehören mittlerweile 22 Staaten aus Afrika und Asien an, darunter auch die palästinensischen Autonomiegebiete. Von 2011 an war die syrische Regierung unter Baschar al-Assad wegen des Bürgerkriegs im eigenen Land als Mitglied zwölf Jahre lang suspendiert. Erst im Mai 2023 durfte der syrische Präsident wieder an einem Gipfel der Liga teilnehmen.
Die Liga ist jedoch nur eine lose Organisation, die Streitfälle schlichtet und die Beziehungen der Staaten untereinander fördert. Von einer gemeinsamen politischen Ausrichtung wie die Europäische Union ist die Arabische Liga noch weit entfernt. In vielen Fragen sind die Positionen der einzelnen Staaten zu unterschiedlich. Zudem will niemand Abstriche bei der erst seit kurzem währenden Unabhängigkeit machen.
(Erstveröffentlichung 2011. Letzte Aktualisierung 24.11.2023)
UNSERE QUELLEN
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