"Morgestraich – vorwärts, marsch!"
Dass es in Basel und Umgebung erst eine Woche später losgeht mit der Fastnacht, hat nichts mit dem Gregorianischen Kalender oder dem Julianischen Kalender zu tun, der bei den christlich-orthodoxen Kirchen für eine andere Berechnung der Kirchenfeste sorgt. Der Grund liegt vielmehr in uralten, bis ins 11. Jahrhundert zurückreichenden Meinungsverschiedenheiten über den Beginn und die Länge der Fastenzeit.
Ursprünglich nämlich betrug die Länge exakt 40 Tage. Nachdem man im 11. Jahrhundert die Sonntage als kleine Auferstehungsgedenktage aus der Fastentage-Zählung herausgenommen hatte, verlängerte sich die Zeit von 40 Tagen kalendarisch nach vorn.
In bestimmten Regionen jedoch behielt man die alte Regelung bei, so auch im Gebiet von Basel, wo man damit auch an der "alten" Fastnacht festhielt.
Die "drey scheenschte Dääg" für die Basler beginnen am Montag nach Aschermittwoch mit dem "Morgenstreich" um vier Uhr früh. Dann setzen sich mit dem Kommando "Morgestraich – vorwärts, marsch!" die Basler Gruppen mit ihren riesigen Laternen zu den Klängen von Piccoloflöten und dem Trommeln der Tambouren in Bewegung und ziehen kreuz und quer durch die Straßen der Stadt.
Bei Sonnenaufgang, zwischen sieben und acht Uhr in der Früh, verschwinden sie, um nachmittags im großen Zug, der "Cortège", wieder unterwegs zu sein. Mit dabei sind jetzt auch die Waggis-Wagen mit Parodie-Figuren auf Bauern aus dem Elsass und die Guggenmusik-Gruppen in prachtvollen Gewändern und mit schmissiger, gekonnt schräger Musik.
Abends finden in den Basler Kneipen die sogenannten "Schnitzelbängg" statt, bei denen die Akteure große und kleine Vorkommnisse des Jahres satirisch unter die Lupe nehmen. Umzüge und "Schnitzelbängg" wiederholen sich an den nächsten zwei Tagen. Und am Samstag darauf ist dann der offizielle "Fasnachts-Kehraus".
Piccoloflöte im nebligen Dämmerlicht
Vor allem der Morgenstreich gehört zu den beeindruckendsten Erlebnissen, die man in der Fasnacht haben kann. Einiges sollte man jedoch vorab wissen, damit der Besuch zu einem rundum schönen Erlebnis wird.
Es empfiehlt sich, bereits am Sonntag in Basel oder Umgebung ein Hotel oder eine andere Unterkunft zu suchen, in die man nach dem Morgenstreich wieder zurückkehren kann, um ein wenig zu schlafen, bevor es dann am Nachmittag mit den Umzügen weitergeht. In die Innenstadt fährt man am besten mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Scheck- und Kreditkarten, überflüssiges Geld und sonstige Wertgegenstände lässt man am besten im Hotel. Es herrscht drangvolle Enge – mit entsprechender Diebstahlgefahr.
Ohnehin sollte man sich sogar überlegen, ob man einen Fotoapparat oder eine Filmkamera mitnehmen will. Beim Morgenstreich ist es dunkel, die Straßen- und Schaufensterbeleuchtung ist ausgeschaltet, damit die Laternen besser zur Geltung kommen, und die Benutzung von Blitzlicht wird nicht gern gesehen. Besser ist es, das Ganze ohne Sucher und Linse auf sich einwirken zu lassen.
Man sollte sich warm anziehen – und eigene Verkleidungen zu Hause lassen. Beim Morgenstreich und überhaupt an allen drei Tagen sind nur die Aktiven verkleidet, nicht die Zuschauer. Bei den Umzügen am Nachmittag sollte man auch nicht zu sehr schunkeln oder tanzen, sonst könnte man zur Strafe einen Haufen Konfetti unter die Kleidung gestopft bekommen.
Nehmen Sie ein wenig Geld für Käs- und Zwiebelwähen und Mehlsuppe mit, zum Aufwärmen für zwischendurch. Alkoholische "Wärmfläschchen" lassen Sie dagegen besser zu Hause – bei der Basler Fasnacht betrinkt man sich nicht. Lassen Sie sich einfach mitreißen und mittreiben. Zu den schönsten Erlebnissen gehört es, im nebligen Dämmerlicht hinter einem einsamen Trommler oder einer Piccoloflöte durch die mittelalterlichen Gassen zu laufen.
(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 13.02.2019)