Wann ist ein Fan ein Fan?
Einen Fan zu definieren ist nicht einfach und den einen, typischen Fan gibt es so nicht. Vielmehr müsse man nach verschiedenen Kriterien unterscheiden, sagt der Kommunikationswissenschaftler und Soziologe Dr. Mike Schäfer. Er leitete die Studie "Fans und Fantum" an der FU Berlin.
Zunächst sei es wichtig zu betrachten, welches Fanobjekt jemanden begeistert. Und das kann alles Mögliche sein: Sport, Musik, aber auch Filme, ein Buch oder etwas ganz anderes.
Viele Fans würden sich dabei gar nicht als solche bezeichnen, sagt Schäfer: "Opernliebhaber würden wohl nicht sagen, sie seien Opernfans, und doch zeigen sie dieselben Strukturmerkmale, wie zum Beispiel Sportfans." Was alle Gruppen verbindet, ist die gemeinsame Leidenschaft für eine bestimmte Sache, die sie in ihrem Alltag nicht missen möchten.
Dabei sind drei Faktoren fürs Fansein entscheidend:
- die soziale Beziehung zum Fanobjekt
- ein überdurchschnittliches Maß an Leidenschaft
- und große Investitionen ins Fanobjekt.
Das heißt: Erstens hat ein Fan hat eine besondere Beziehung zu seinem Fanobjekt. Meistens ist dies eine Person oder Personengruppe, der er selbst nicht angehört. Ein Beispiel ist der Fußballfan. Er geht gerne in Stadion, studiert Tabellen und interessiert sich für die Startaufstellung beim nächsten Heimspiel. Mitspielen kann er aber nicht, das heißt, die Personengruppe ist ihm in einer direkten Beziehung kaum zugänglich.
Fußballfans
Außerdem ist die Gruppe öffentlich. Das bedeutet, dass auch andere Menschen Fans der Mannschaft sein können und es sich nicht um ein Privileg handelt. Das ist wichtig, denn man würde ein Herrchen, das eine soziale Bindung zu seinem Hund hat, schließlich nicht als seinen Fan bezeichnen.
Zweitens zeichnet es einen Fan aus, dass er ein überdurchschnittliches Maß an Emotionen und Leidenschaft für sein Fanobjekt aufbringt.
Um beim Beispiel Fußballfan zu bleiben: Ein fußballinteressierter Nicht-Fan würde sich wohl ein Spiel anschauen und sich freuen, wenn viele Tore fallen, weil es so für ihn spannend ist. Ein Fan hingegen jubelt bei einem Tor seiner Mannschaft, ärgert sich, wenn sie in Rückstand gerät und beschimpft womöglich den Schiedsrichter bei unklaren Entscheidungen.
Der dritte Punkt, der einen Fan ausmacht, ist, dass er viel in sein Fanobjekt investiert. Das kann Zeit sein, aber häufig auch Geld. Wer Fan eines bestimmten Popstars ist, kauft dann womöglich verschiedene Fan-Artikel oder reist seinem Star für Konzerte hinterher.
Viele Stars sind Fanobjekte
Fan sein ist eine Entwicklung
Man kommt nicht als Fan auf die Welt: Viele Leidenschaften entwickeln sich erst im Jugendalter. Soziologen bezeichnen diese Phase als die Zeit, in der ein Jugendlicher sich zu einer vollständigen Persönlichkeit entwickelt, sich sozial integrieren muss, aber auch seine Individualität festlegt.
Dabei gibt es für die Teenager viele Anforderungen. Gleichzeitig haben sie aber auch mehr Freiheiten; sie dürfen zum Beispiel länger ausgehen oder verdienen das erste eigene Geld. In dieser Phase sortieren sie ihre Welt um – weg von der Familie, hin zu den Freunden.
Während bisher meist die Eltern als Bezugsperson galten, suchen sich junge Menschen nun neue Vorbilder und finden sie oft in Stars, wie Sportlern oder Musikern, die dann zu ihren Fanobjekten werden.
Dieses Phänomen ist nicht neu, sagt Dr. Mike Schäfer. Den Versuch, sich in der Pubertät von der Familie, traditionellen und religiösen Werten oder dem Druck der Gesellschaft abzugrenzen, gab es schon immer. In der jüngeren Geschichte ließen sich zum Beispiel Beatles-Fans die Haare wachsen, um so gegen ihre "spießigen" Eltern zu rebellieren.
So ist es auch verständlich, dass es besondere Jugendfanobjekte gibt, die sich von den Objekten Erwachsener unterscheiden. Viele junge Mädchen verlieben sich zum Beispiel in Mitglieder von Musikbands und entwickeln somit eine besonders enge emotionale Bildung zu ihrem Fanobjekt.
Am Ende der Pubertät flacht dieses Interesse jedoch oft ab, da dem Fan klar wird, dass er sich unrealistische Hoffnungen gemacht hat. Das Fanobjekt ist dann nicht mehr interessant.
Kreischende Fans bei einem Beatles-Konzert
Außergewöhnliche Fanobjekte
Ähnlich wie jugendliche Fans möchten sich auch Fans sehr außergewöhnlicher Objekte von ihrer Umwelt abgrenzen. Fußball oder Pop-Musik wären für sie zu gewöhnlich.
Im Internet findet man zahllose Fanclubs für sehr unterschiedliche Dinge. So gibt es zum Beispiel leidenschaftliche Anhänger einer bestimmten Achterbahn, der sie von Kirmes zu Kirmes hinterher reisen, oder Fans einer speziellen Sorte Wein oder einer einzigartigen Schlangenrasse.
Dr. Mike Schäfer erklärt dies ebenfalls mit der Suche nach Individualität: Noch vor einigen Jahrzehnten bewegten sich die Menschen in Deutschland in einem engeren gesellschaftlichen Korsett. Andere Interessen zu haben oder anders auszusehen als die breite Masse, war verpönt.
Dieses strikte Gesellschaftsbild hat sich inzwischen aufgelöst. In der Soziologie bezeichnet man diese Tendenz zur Individualisierung auch als "Identität basteln". Ein Fanobjekt gehört zu dieser Phase oftmals dazu. Ermöglicht wurde diese Entwicklung vor allem dadurch, dass den Menschen heute viel mehr Fanobjekte zugänglich sind.
Ganz nah dran am Original
Fanatismus: selten, aber vorhanden
Extreme Fans sind die Ausnahme, aber es gibt sie dennoch. In manchen Fällen wird die Liebe zum Fanobjekt so stark, dass sie negative Konsequenzen nach sich ziehen kann. Extreme Fans konzentrieren sich nur noch auf das Fanobjekt, vernachlässigen Freunde, Familie oder riskieren sogar Beziehungen.
Wer das Fanobjekt kritisiert oder die Leidenschaft nicht teilt, wird ausgeschlossen. Im extremen Fall sind diese Menschen nur noch mit anderen Fans befreundet. Gerade bei Jugendlichen passiert das häufig.
Andererseits knüpfen viele Fans durch ihr Hobby auch Freundschaften, die auch noch bestehen, wenn das Interesse am Fanobjekt abgeebbt ist.
Gefangen im Fanobjekt
(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 01.08.2024)
Quelle: WDR