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Entscheidungen

Wie man richtige Entscheidungen trifft

Forscher haben sich in unzähligen Studien und Experimenten damit befasst, warum, wie und unter welchen Umständen Menschen die eine oder die andere Option wählen. Hier einige Ergebnisse.

Von Irina Fernandes

Ablenken statt Nachdenken

Der niederländische Psychologe Ap Dijksterhuis etwa empfiehlt, der Intuition eine Chance zu geben. "Abwägen ohne Aufmerksamkeit" heißt seine Maxime. Dabei soll man nicht krampfhaft versuchen, alle für eine Entscheidung wichtigen Informationen und Fakten zu ergründen, sondern an anderes denken und dann seinem Bauchgefühl vertrauen.

In Tests hatte er Versuchspersonen eine Vielzahl an Produktinformationen über verschiedene Autos vorgelegt – ein Teil der Probanden durfte darüber nachdenken, ein anderer Teil musste Rätsel lösen.

Das Ergebnis: Die Versuchsteilnehmer, die abgelenkt waren, trafen eher die Entscheidung für das qualitativ beste Auto. Dijksterhuis schlussfolgerte, dass das Unterbewusstsein einen sehr guten Überblick über die Fülle an Informationen behält, während das bewusste Nachdenken dazu führt, Fakten falsch zu bewerten.

Befriedigende statt optimaler Lösung

Die Satisficing-Regel bekam ihren Namen von dem US-Wissenschaftler Herbert Simon – er schuf dieses Kunstwort aus den englischen Begriffen "satisfying" (befriedigend) und "suffice" (genügen). Diese Regel ist passend für jene, die bestimmte Ansprüche an eine Sache haben, aber nicht unbedingt die optimale Lösung suchen.

Sie vergleichen nicht parallel verschiedene Möglichkeiten miteinander, sondern schlagen bei der ersten Option zu, bei der alles zufriedenstellend ist. Wer also bestimmte Vorstellungen über das Aussehen, die Wattzahl und den Preis seiner neuen Mikrowelle hat, sollte nicht zögern, wenn er ein Gerät gefunden hat, auf das diese Merkmale zutreffen.

Kosten und Nutzen abwägen

Wer sich damit noch nicht zufrieden gibt, der kann auf das Kosten-Nutzen-Konzept des US-Wirtschaftswissenschaftlers George Joseph Stigler zurückgreifen: Solange die Kosten für die Faktenbeschaffung unter denen des eigentlichen Nutzens liegen, schöpfen wir den Rahmen nicht aus und geben uns möglicherweise mit einer nicht optimalen Lösung zufrieden.

Wenn aber die Kosten der Informationssuche über denen des Nutzens liegen, dann machen wir Verlust. In Sachen Mikrowelle bedeutet dies: Wenn wir mit dem Auto zu zehn Geschäften fahren, um uns über verschiedene Geräte zu informieren, dann sind die Kosten für das Benzin wahrscheinlich größer als die Ersparnis beim Kauf der günstigsten Mikrowelle.

Und suchen wir die Informationen im Internet, dann kann man zwar kaum von materiellen Kosten sprechen – aber man kann sich fragen, ob sich eine tagelange Recherche lohnt, in der man Zeit für andere Dinge opfert.

Mann sitzt vor Laptop.

Ist eine tagelange Recherche im Internet sinnvoll?

Zehn Minuten, zehn Monate, zehn Jahre

Für die US-amerikanische Autorin Suzy Welch spielt die Zahl 10 die entscheidende Rolle: In ihrem 10-10-10-Modell sollen sich die noch Unentschlossenen die Frage stellen, welche Auswirkungen ihre Entscheidung in zehn Minuten, in zehn Monaten und in zehn Jahren haben wird.

Wer also überlegt, die Kommunion seines Patenkindes zu schwänzen, weil er lieber einen Ausflug mit Freunden machen will, sollte sich vor Augen halten: Vielleicht sind die Konsequenzen bei der Wahl der zweiten Option in zehn Minuten und zehn Monaten nicht so gravierend – in zehn Jahren aber könnte die Erkenntnis da sein, einen wichtigen Moment im Leben des Patenkindes verpasst zu haben.

Testfahrt durch die Alternativen

Ähnlich verhält es sich mit einer Methode, die der Theologe und Buchautor Lukas Niederberger als "Schwangergehen" bezeichnet. Dabei stützt er sich auf Ignatius von Loyola, der im 15. Jahrhundert den Jesuitenorden gründete und sich in seinen Exerzitien mit der Entscheidungsfindung beschäftigte.

Niederberger schlägt vor, dass wir uns bei dieser "Entscheidungstestfahrt" sämtliche unserer Optionen klar vor Augen führen. Danach können wir so tun, als ob wir uns bereits für eine Alternative entschieden hätten und beobachten dabei, wie wir uns fühlen.

Außerdem sollen wir uns vorstellen, wie wir in ein paar Jahren zu dieser Entscheidung stehen würden. Nach drei oder vier Tagen wenden wir uns der nächsten Option zu und stellen uns wieder vor, wir hätten sie schon gewählt.

Am Ende dieser Simulation, nachdem wir sämtliche Ergebnisse abgewägt haben, sollten wir einer Entscheidungsfindung näher gekommen sein.

Perfektionismus muss nicht sein

Die wichtigste Regel bei allen Entscheidungen: Perfektionismus muss nicht sein! Der US-Psychologe und Buchautor Barry Schwartz sieht das Problem in der Vielzahl der Möglichkeiten, die wir heutzutage haben. Beim Handeln schauten die Menschen ständig über die Schulter und fragten, ob sie nicht gerade den falschen Schritt in Leben, Karriere oder Liebe getan hatten.

Schwartz hat beobachtet: "Sie plagen sich mit Zweifeln und sind ständig unzufrieden, weil die bessere Lösung nur eine andere Entscheidung entfernt hinter der nächsten Ecke zu liegen scheint."

Wer Barry Schwartz noch nicht glaubt, dass weniger manchmal mehr sein könnte – schon der französische Staatsmann Charles de Gaulle wusste: "Es ist besser, unvollkommene Entscheidungen durchzuführen, als beständig nach vollkommenen Entscheidungen zu suchen, die es niemals geben wird."

Tun falsche Entscheidungen weh?

Und wenn wir dann doch einmal feststellen, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben? Wenn wir verpassten Chancen nachtrauern und deshalb an uns zweifeln? Psychologen gehen davon aus, dass wir dann schon auf dem Weg sind, aus diesen Fehlern zu lernen.

Und ein kleiner Trost am Schluss: Untersuchungen zufolge bereuen Menschen es mehr, Dinge nicht getan zu haben, als eine falsche Entscheidung getroffen zu haben. Es ist also besser, etwas zu wagen und dabei auf die Nase zu fallen, als einer nicht genutzten Chance jahrelang hinterherzutrauern.

(Erstveröffentlichung 2012. Letzte Aktualisierung 25.08.2020)

Quelle: WDR

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