Mit Faustregeln zu guten Entscheidungen
Der Psychologe Gerd Gigerenzer beschreibt Intuition als unbewusste Intelligenz, die auf Erfahrung beruht.
So handeln zum Beispiel erfahrene Sportler oft intuitiv richtig. Fangen sie an zu taktieren und nachzudenken, entscheiden sie sich häufig für eine weniger gute Option. Bei Anfängern sieht es anders aus: Sie entscheiden besser, wenn sie bewusst nachdenken.
Mit einfachen Faustregeln, sogenannten Heuristiken, treffen wir oft gute Entscheidungen. Manchmal gilt: Entscheide schnell! Denn je länger wir nachdenken, desto mehr zweitklassige Lösungen fallen uns ein. Wir kommen ins Grübeln, und das Ergebnis wird dadurch nicht besser. Diese Regel gilt besonders dann, wenn wir uns in einem Gebiet schon gut auskennen.
Frag andere!
Anders sieht es aus, wenn wir in einem Gebiet fremd sind. Dann hilft es, sich Rat bei Experten zu holen. Doch Achtung: Vorher sollten wir prüfen, ob unsere Experten unabhängig sind.
Dem Rat eines Bankberaters, erklärt Entscheidungsexperte Gigerenzer, würde er nicht trauen. Denn dieser sei in einem Interessenskonflikt und werde nur zu etwas raten, was seinem Unternehmen Nutzen bringt.
Schockrisiken führen zu falschen Entscheidungen
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA ums Leben hatten viele Menschen weltweit Angst vor Terrorismus und Flugzeugen. Geprägt von den Bildern in den Medien, fühlten sich viele im Auto sicherer.
Ein perfektes Beispiel für ein "Schockrisiko", erklärt Entscheidungsexperte Gigerenzer. Denn der Straßenverkehr stieg im folgenden Jahr stark an, und mit ihm die Zahl der tödlichen Autounfälle. Fast 1600 Amerikaner kamen dadurch ums Leben. Deutlich mehr, als durch die Flugzeugentführungen zuvor.
Oft schätzen wir die falschen Dinge als Risiko ein. Tatsächlich ist es um ein Vielfaches wahrscheinlicher, an einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall zu sterben als an einem Terroranschlag. Dennoch erkennen viele die Symptome nicht, auch wenn schnelles Handeln hier Leben retten kann.
Andere Länder, andere Ängste...
Wir fürchten uns vor der Zahl 13 – so sehr, dass es im Flugzeug oft keine 13. Reihe gibt. In asiatischen Ländern gilt die Vier als besonders gefährlich und wird gemieden. In den USA sind Schusswaffen weit verbreitet und viele meinen, dass diese ihre Sicherheit erhöhen. In Europa eine absurde Vorstellung. Wie kommt das?
Psychologe Gigerenzer erklärt das mit sozialem Lernen: Es kann Leben retten, ein Risiko nicht selbst einzugehen, sondern das Verhalten anderer zu imitieren. Auch wenn manche der vermeintlichen Gefahren gar keine sind. Es sei besser, mal etwas Ungefährliches zu meiden, als eine tatsächliche Bedrohung nicht zu erkennen.
Dauerhafte Risiken würden dagegen nicht als Risiko erkannt. Dazu gibt es die so genannte "Truthahn-Theorie": Ein Truthahn wird jeden Tag gefüttert und gehätschelt, er schließt daraus, dass es immer so weitergehen wird. Doch das ist eine Illusion: Er endet, scheinbar überraschend, im Backofen.
Lernen durch eine gute Fehlerkultur
Aus Schaden wird man klug? Nicht immer. Nur, wenn die Fehler anschließend offen benannt und Lehren daraus gezogen werden. Ein Bereich, in dem das laut Gigerenzer gar nicht klappt, sei die Medizin. Fehler würden hier aus Angst vor Klagen vertuscht.
So sterben in den USA jährlich 28.000 Menschen an Katheterinfektionen. Und die wären durch einfache Dinge wie Händewaschen mit Seife vermeidbar.
Ein US-Krankenhaus zeigte, dass es auch anders geht. Durch das Einführen einer Checkliste mit nur fünf Punkten ließ sich die Infektionsrate auf Null senken. So sieht eine gute Fehlerkultur aus.
(Erstveröffentlichung 2013. Letzte Aktualisierung 01.10.2019)