Grundsätze der Freimaurer

Planet Wissen 19.10.2020 01:21 Min. Verfügbar bis 19.10.2025 ARD-alpha

Organisationen

Freimaurer

Wenn sie sich treffen, bleiben sie unter sich. Für Außenstehende bleiben die Türen geschlossen. Sind die Freimaurer ein Geheimbund, der Verschwörungen ausheckt?

Von Inka Reichert

Was in der Loge passiert, bleibt in der Loge

Freimaurer erkennen einander an bestimmten, geheimen Symbolen und Ritualen. Manche Mitglieder bekennen sich öffentlich dazu, einer Loge anzugehören; andere halten sich lieber bedeckt. Sind die Freimaurer ein Geheimbund, der Verschwörungen ausheckt? Nein, sagen die Experten. Die Freimaurer selbst verstehen sich als einen ethischen Zusammenschluss, der für Toleranz und Menschlichkeit steht.

Ihre Treffen finden im Geheimen statt. Ein Freimaurer darf nicht darüber sprechen – das ist auch heute noch so. Auf Außenstehende mag das befremdlich wirken. Für die meisten sind die Freimaurer immer noch ein Mysterium, etwas, das sie nicht verstehen. Das könnte sich ändern.

"Mit den modernen Kommunikationsmitteln gibt es eigentlich keine Geheimnisse mehr über den Bund", sagt der Sozialwissenschaftler Hans-Hermann Höhmann aus Köln. Er ist Mitglied des Netzwerks Freimaurerforschung. Er erforscht den Bund und ist zudem selbst Freimaurer – seit 1958.

Mehr Transparenz durchs Netz – das gilt auch für die Freimaurer

Die Freimaurer seien transparenter geworden, vor allem auch durchs Internet. "Nicht nur Dritte schreiben über den Zusammenschluss", sagt Höhmann. "Auch die Freimaurer selbst erklären sich der Öffentlichkeit im Netz."

Wer danach suche, könne sogar die geheimen Erkennungszeichen recherchieren, darunter den Handdruck, bei dem das Mitglied einzelne Finger auf bestimmte Art kreuzt.

Wer oder was die Freimaurer genau sind, lässt sich trotz aller Informationen im Netz kaum sagen. Weltweit soll es 2,6 Millionen Freimaurer geben. "Der Bund ist so vielschichtig, dass er nicht auf eine einzige Gruppe beschränkt werden kann", sagt Dieter-Anton Binder, der für seine Veröffentlichungen zur Geschichte der Freimaurer bereits 1989 den Karl von Vogelsang-Staatspreis erhielt.

Die Freimaurer als geschlossene Organisation gebe es nicht: "Die Freimaurerei erfindet sich immer wieder neu – jede Gesellschaft bringt eine spezifische Freimaurerei hervor", sagt der Geschichtswissenschaftler. Nur ein vage formulierter Grundgedanke verbindet seit den Anfängen im 13. Jahrhundert die Freimaurer auf der ganzen Welt.

"Freimaurer stellen sich zur Aufgabe, ihr Leben im Sinne einer toleranten Menschlichkeit und Brüderlichkeit zu gestalten – und das mithilfe der Vereinigung", sagt Binder.

Gemälde von Johann Wolfgang von Goethe im Porträt.

War überzeugter Freimaurer: Johann Wolfgang von Goethe

Die Logen sind unabhängige Freimaurer-Vereinigungen

Die Freimaurer sind dezentral organisiert: Die Vereinigung gliedert sich in einzelne voneinander unabhängige Gruppen, die Logen. Die ersten dieser Logen gingen aus Steinmetzbrüderschaften in England hervor. Am 24. Juni 1717 schlossen sich vier dieser Bünde zur ersten Freimaurergroßloge zusammen.

Das Datum gilt als das offizielle Gründungsdatum der modernen Freimaurerei. "Freemasons" heißen die Freimaurer auf Englisch. Historiker gehen davon aus, dass sich der Name von "freestone" ableitet – das ist ein weicher Stein, den die Steinmetze früher bearbeitet haben. Auch die Symbole wie die Maurerkelle, das Winkelmaß und der Zirkel lassen sich auf die Tätigkeit der ersten Freimaurer zurückführen.

In den meisten Logen sind nur Männer. Doch mit der Emanzipation der Frau öffnen sich die Vereinigungen: Frauenlogen formen sich und gelten als anerkannte Freimaurer-Vereine. "Unsere Loge trifft sich regelmäßig zum Austausch mit der Frauenloge Sci Viam in Köln", sagt Höhmann.

Ein vergoldeter Zirkel und ein Winkelmaß, übereinandergelegt.

Freimaurer-Symbole: ein Zirkel und ein Winkel

Unter Hitler verboten: die Freimaurer im Zweiten Weltkrieg

Schon in den ersten Jahrzenten ihrer Existenz entfernten sich die Freimaurer von ihren Ursprüngen im Handwerk. Mit seinen Grundwerten der Toleranz, Brüderlichkeit und Menschlichkeit entwickelte sich der Bund schon früh zur Plattform des Bildungsbürgertums. Auch in Deutschland.

Am 6. Dezember 1737 gründete der bevollmächtigte Großmeister des Königreichs Preußen und des Kurfürstentums Brandenburg in Hamburg die erste Loge Deutschlands. Berühmte Persönlichkeiten wie Johann Wolfgang von Goethe, Wolfgang Amadeus Mozart oder Kurt Tucholsky traten den Freimaurern bei. Bis in die 1920er-Jahre zählten die Bünde in Deutschland etwa 85.000 Mitglieder.

Unter Hitler wurde die Freimaurerei jedoch als verschwörerischer Geheimbund verachtet – und im Jahr 1935 schließlich ganz verboten. "Nach diesem historisch bedingten Einbruch sind es heute noch fast 15.000 Mitglieder in Deutschland, die mehrheitlich aus der Mittelschicht stammen", sagt Höhmann.

Er selbst war am Wiederaufbau des Freimaurer-Ordens in der ehemaligen DDR beteiligt. "Diese Aufgabe gestaltete sich als nicht so einfach", sagt er. Nach Hitler und der Stasi misstrauten die Menschen allem, was irgendwie mit verschwörerischen Aktivitäten in Verbindung gebracht werden konnte.

Rüdiger Templin (l.) und Ole von Beust stehen vor einer Stellwand mit der Aufschrift "275 Jahre Freimaurer in Deutschland".

Freimaurer Rüdiger Templin (l.) und Ole von Beust, ehemaliger Bürgermeister von Hamburg

Die Philosophie dahinter: Das Leben als Bauwerk

Um ihre Lebensphilosophie zu beschreiben, bedienen sich die Freimaurer einer Metapher: Sie vergleichen die Entwicklung eines Menschen (und der Gesellschaft) mit der Errichtung eines Bauwerks, des Salomonischen Tempels. Denn König Salomon gilt in der Überlieferung der Steinmetze als der größte Bauherr in der Heiligen Schrift.

"Die Freimaurer deuten den Salomonischen Tempel in einen Tempel der Humanität um", sagt Binder. Der Freimaurer strebt danach, sich selbst (den inneren Tempel) und die Gesellschaft (den äußeren Tempel) zu verbessern.

Im Verlauf seines Lebens kann ein Freimaurer drei Grade erlangen: Lehrling, Geselle und Meister. Während der Lehrling noch auf der Suche nach dem Sinn des Lebens ist, beherrscht der Meister bereits die Selbstreflexion: Er überschaut und durchdenkt seinen Lebensplan.

Der Weg zum Meister sei relativ einfach, sagt Höhmann: "Man beteiligt sich am Logenleben, steigt nach einem Jahr zum Gesellen auf und nach einem weiteren Jahr zum Meister." Ein Meister hat schließlich auch die Befugnis eine Loge zu leiten. Höhmann selbst war zweimal "Meister vom Stuhl" der Loge Ver Sacrum in Köln.

Bleistiftzeichnung eines monströsen Bauwerks mit Säulen und Innenhof.

Eine Zeichnung des Tempel Salomons

Wo sich die Freimaurer treffen

Die Freimaurer entwerfen nicht bloß den Tempel ihres Lebens, sie errichten auch handfeste Bauwerke, die kaum zu übersehen sind, darunter die Freemasons' Hall in London, der Masonic Tempel in Detroit oder das George Washington Masonic National Memorial in Alexandria. "Die Bauwerke sind ein Versuch, die Ideenwelt der Freimaurer in den öffentlichen Raum zu übertragen", sagt Binder.

Viele der Bauten dienen den Freimaurern als Treffpunkt. Die geschlossenen, rituellen Treffen bezeichnen die Mitglieder als Tempelarbeit. "Für uns sind diese Treffen ein feierlicher und spiritueller Einübungsraum der freimaurerischen Werte", sagt Höhmann.

Die Freimaurer diskutieren während der Tempelarbeit vor allem über ein Thema: Menschlichkeit. "Beim einem Treffen ging es in unserer Kölner Loge zum Beispiel um die Frage, inwiefern die Moral von der Religion abhängt", sagt der Freimaurer.

Details verrät Höhmann jedoch nicht. "Ich kann ohne Weiteres meine Meinung in der Öffentlichkeit kundgeben, jedoch nicht die Ansichten anderer Freimaurer-Kollegen", sagt Höhmann.

Denkmal mit Säulen am Eingang und einem hohen Turm: das Masonic National Memorial.

Das Masonic National Memorial: Andenken an den Freimaurer George Washington

Geheimniskrämerei für Vertrautheit

Die Schweigepflicht über die Treffen sind für die Freimaurer Segen und Fluch zugleich. Einerseits sind die Rituale ihr wichtigstes Instrument, um ihre Grundideen zu verfolgen. Andererseits haftet ihnen bis heute der Ruf eines Geheimbunds an, der Verschwörungen ausheckt.

Der Kölner Freimaurer Höhmann hält dagegen: "Man möchte über Gott und die Welt unbeschwert nachdenken können." Die Diskretion sei Voraussetzung für Vertrautheit und Tiefgang innerhalb der Gespräche.

"Viele Vereine behalten Versammlungsinterna für sich", sagt Binder. Er beschäftigt sich seit mehr als 40 Jahren mit dem freimaurerischen Bund. "Eine konkrete politische Einflussnahme kann ich ausschließen", sagt der Forscher.

Andere Freimaurer-Experten arbeiten mit noch einfacheren Argumenten: "Die Existenz eines Geheimbunds ist der Öffentlichkeit erst gar nicht bekannt", sagt Marian Füssel von der Universität Göttingen, der an Geheimbünden und Geheimgesellschaften forscht. Dies treffe auf den Ku-Klux-Klan zu seinen aktiven Zeiten zu oder auf die Illuminaten, nicht aber auf die Freimaurer.

Nach den Forschern hat die Freimaurerei also wenig mit einem Geheimbund gemeinsam. In der Vergangenheit seien lediglich an den Rändern verschwörerische Verbindungen zu Tage getreten.

"Die italienische Geheimloge Propaganda due (P2) hatte tatsächlich ihren Ursprung in der Freimaurerei", sagt Höhmann. Sie verwende auch noch immer freimaurerische Rituale, sei jedoch längst von dem humanistischen Bund der Freimaurer getrennt.

Zeichnung von drei Männern an einem Sprecherpult, an der Wand über ihnen ist das "Sehende Auge" abgebildet.

Die Freimaurer: ein Geheimbund für Verschwörungen? Nein, sagen Forscher

(Erstveröffentlichung 2014. Letzte Aktualisierung 11.03.2020)

Quelle: WDR

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