Herz-Angst-Neurose – wenn das Herz bis zum Hals schlägt
Unser Herz reagiert stark auf Gefühle, Stress und Ängste. Dass das Herz manchmal schneller klopft, ist ganz normal: bei körperlicher Anstrengung zum Beispiel, bei großer Angst oder freudiger Erregung. Dann kann es bis zu dreimal schneller schlagen als normal (60 Schläge pro Minute).
Doch fängt das Herz an zu stolpern, zu rasen, auszusetzen oder ungleichmäßig zu schlagen, ist der Arzt gefragt. Bei durchschnittlich 20 Prozent der Patienten können organische Ursachen ausgeschlossen werden. Dann liegen somatoforme Herzbeschwerden vor – die Angst, eine Herzkrankheit zu haben oder einen Herzinfarkt zu erleiden.
Häufige Ursachen für Herz-Angst-Neurosen sind Stress, heftige Emotionen wie Wut oder Angst, nicht verarbeitete Konflikte oder beispielsweise der Herztod eines Bekannten oder Verwandten. Doch auch wenn der Arzt seinem Patienten versichern kann, dass keine organische Krankheit vorliegt, hören bei Herzphobikern die Symptome nicht einfach auf.
Hier setzt die psychosomatische oder psychotherapeutische Behandlung ein: Mit dem Patienten wird erarbeitet, welche tief sitzenden Ängste oder Belastungen die Symptome auslösen. Der Patient lernt, damit umzugehen und sein Herz ohne Angstattacken zu beobachten. Wichtig ist es auch, einer Art Schonhaltung gegenzusteuern.
Viele Patienten mit Herzangst neigen dazu, sich weniger zu bewegen, doch dies mündet in einen Teufelskreis: Das Herz beginnt nun schon bei geringer Belastung stärker zu schlagen. Bewegung und Konditionstraining stärken in diesem Fall das Herz. Sie werden in der Therapie auch oft zur Angstbewältigung eingesetzt.
Eine Besonderheit bei der Herz-Angst-Neurose: Es sind mehr Männer als Frauen betroffen. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa doppelt so viele Männer wie Frauen unter den nicht organisch bedingten Herzschmerzen leiden. Bei den meisten anderen psychosomatischen Erkrankungen sind im Durchschnitt Frauen häufiger betroffen.
Tinnitus – "Ich kann's nicht mehr hören"
Klingeln, Rauschen, Pfeifen im Ohr: Tinnitus ist eine Erkrankung, die fast ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland betrifft. Bei den meisten verschwinden die Störgeräusche nach kurzer Zeit wieder.
Doch wenn sie bleiben, führen sie zu erheblichen Einschränkungen. Schlafstörungen, Depressionen, Konzentrationsstörungen und Angstzustände können die Folge sein. Die Beeinträchtigungen können so schwer werden, dass die Betroffenen arbeitsunfähig werden und kein normales Leben mehr führen können.
Für Tinnitus gibt es viele Ursachen. Das können Erkrankungen des Gehörgangs, des Mittelohrs oder des Innenohrs sein, Bluthochdruck, Durchblutungsstörungen, Multiple Sklerose oder die Einnahme bestimmter Medikamente.
Doch die weitaus häufigsten Ursachen für Ohrgeräusche sind Lärm und Stress. In vielen Fällen entsteht ein Tinnitus in Folge eines Hörsturzes.
Beim chronischen Tinnitus, bei dem nicht genügend organische Ursachen gefunden werden können, um die Ohrgeräusche zu erklären, greift die psychotherapeutische Behandlung. Nicht immer lässt sich der Tinnitus dadurch völlig beseitigen. Auf jeden Fall aber erleichtert die Behandlung den Umgang mit der Erkrankung und verhindert eine Verschlimmerung der Symptome und Folgen.
Bei der Behandlung wird auf Stressabbau und Entspannung gesetzt. Allerdings kann gerade die Entspannung besonders schwierig sein, weil dies die Aufmerksamkeit erst recht auf die störenden Geräusche lenkt.
Wichtig sind also Strategien, von den Tinnitus-Geräuschen abzulenken, damit die Patienten lernen, sie ähnlich wie Alltagsgeräusche auszublenden. Auch das Meiden von Stille gehört hierzu, da viele Tinnitus-Patienten Alltagsgeräusche scheuen und die Empfindlichkeit so noch verschlimmern. Letztlich dient die Therapie auch dazu, die Patienten wieder aktiver zu machen, damit sie sich nicht zurückziehen und sozial isolieren.
Eine noch recht neue Methode ist die Tinnitus-Retraining-Therapie. Sie soll das Gehör desensibilisieren, also unempfindlicher machen. Meist wird dazu ein kleines Gerät namens "Noiser" benutzt, das wie ein Hörgerät im Ohr sitzt und dauerhaft Geräusche abgibt, die etwas leiser sind als der Tinnitus selbst.
Sie sollen helfen, den Tinnitus teilweise zu überdecken, das Ohr an Geräusche zu gewöhnen und – vor allem nachts – Stille zu vermeiden, in der sich der Tinnitus wieder in voller Lautstärke bemerkbar machen würde.
Reizdarm – schwer zu verdauen
Er ist nicht gefährlich, aber ausgesprochen lästig und tritt bei fast einem Fünftel der deutschen Bevölkerung auf: der Reizdarm. Verstopfungen, Blähungen, Durchfall, Bauchschmerzen machen früher oder später jedem einmal zu schaffen. Doch wenn die Beschwerden über mehrere Monate anhalten, ist dies ein Zeichen dafür, dass die Funktion des Verdauungstrakts gestört ist.
Frauen sind vom Problem Reizdarm häufiger betroffen als Männer. Chronische entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa gehören nach aktueller Meinung übrigens nicht zu den psychosomatischen Krankheiten.
Die genaue Ursache für das Reizdarm-Syndrom ist bis heute nicht bekannt. Sicher ist aber, dass die Entwicklung dieses Syndroms durch bestimmte Umstände gefördert wird, beispielsweise durch Stress, psychische Konflikte, falsche Ernährung, Medikamente, Störungen der Immunabwehr.
Möglich ist auch, dass eine andere Erkrankung vorausgegangen ist: eine Allergie oder eine bakterielle Darminfektion.
Mit einer Therapie sollen die Beschwerden gelindert werden. In manchen Fällen werden Medikamente gegeben, dazu kommen die Umstellung falscher Ernährungsgewohnheiten, Entspannungstechniken und mehr Bewegung.
Bei manchen Patienten ist es wichtig, sie von der ständigen Beobachtung der Symptome abzubringen. Wichtig für die Patienten ist in jedem Fall die Information: Ein Reizdarm ist nicht gefährlich und zu Krebs führt er schon gar nicht.
Schmerzerkrankungen – Schmerz lass' nach!
Schmerzen sind an sich nichts Schlechtes: Sie warnen bei Verletzungen und alarmieren uns bei Krankheiten. Doch Schmerzen können sich verselbständigen, ohne dass die Ursache (noch) erkennbar ist.
Existiert ein Schmerz mehr als sechs Monate, gilt er als Dauerschmerz. Solche Schmerzen können den ganzen Körper betreffen; besonders häufig sind Kopf-, Rücken- und Gelenkschmerzen. Schätzungen zufolge leiden etwa 20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland an chronischen Schmerzen.
Bei Schmerzen, die keine erkennbare organische Ursache haben, sondern durch eine seelische Belastung ausgelöst werden, kommt es oft zu einem Teufelskreis: Der Schmerz selbst kann psychische Probleme nach sich ziehen.
Schmerzen psychosomatischer Ursache können in sehr vielen Formen auftreten, entsprechend unterschiedlich sind auch die Behandlungsansätze.
In jedem Fall erkundet der Psychotherapeut, wann die Schmerzen besonders stark auftreten. Er arbeitet mit dem Patienten mitunter auch Konflikte aus dessen Vergangenheit und aktueller Lebenssituation heraus.
Die Therapie ist für den Patienten ein umfassender Lernprozess: Mit progressiver Muskelentspannung, Autogenem Training, Biofeedback und weiteren Methoden werden muskuläre Verspannungen abgebaut.
Die Patienten werden außerdem geschult, den Zusammenhang zwischen ihrem Schmerz, der Psyche und ihren Lebensumständen zu verstehen, sich selbst besser zu beobachten und mit dem Schmerz selbst zunächst besser umgehen zu können.
Stressbewältigung und die Aktivierung von Patienten, die sich stark zurückgezogen haben, sind zwei weitere therapeutische Ansätze.
Fibromyalgie – Schmerz in jeder Faser
Etwa drei bis dreineinhalb Millionen Menschen sind in Deutschland von Fibromyalgie betroffen. Die Symptome dieser Schmerzerkrankung äußern sich dabei sehr vielfältig. Meist zeigen sich in mehreren Körperteilen Steifheitsgefühle und Schmerzen, die zahlreiche Folgeerscheinungen nach sich ziehen.
Trotz langjähriger Forschung ist bisher recht wenig über die Entstehung des Fibromyalgie-Syndroms bekannt. Sicher ist jedenfalls: Meist trifft es Frauen mittleren Alters, die Beschwerden können aber auch schon früher beginnen. Vermutlich sind es mehrere Faktoren, die die Erkrankung begünstigen: psychische und/oder körperliche Überlastung, Stress und kritische Lebensereignisse.
Die Beschwerden werden meist bei nassem und kaltem Wetter schlimmer. Fibromyalgie-Patienten werden oft in Rheuma-Fachkliniken behandelt, die Erfahrungen mit dem Syndrom haben, auch wenn die Krankheit selbst keine From von Rheuma ist.
Hilfreich sind nach Angaben der Rheuma-Liga Entspannungstechniken und vor allem Gespräche mit Psychologen oder Psychotherapeuten.
Auch Medikamente können die Beschwerden lindern. Eine Heilung gibt es derzeit noch nicht. Doch durch die Kombination mehrerer Therapien können die Patienten ihre Beschwerden zumindest lindern.
Schwankschwindel – kein fester Boden unter den Füßen
Der Schwankschwindel trifft Frauen und Männer fast gleichermaßen oft: Der Schwindelanfall kommt ohne Vorwarnung, der Gang wird unsicher, beim Stehen beginnt der Körper plötzlich zu schwanken. Die Ursachen für Schwindel können sehr vielfältig sein.
Organische Ursachen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Epilepsie und anderes müssen also zunächst abgeklärt werden. Ergeben diese Untersuchungen keinen krankhaften Befund, kann psychosozialer Stress die Ursache sein.
Der Schwankschwindel tritt häufig bei Frauen zwischen 30 und 40 Jahren auf, bei Männern oft erst im Schnitt zehn Jahre später. Die Schwindelattacken, die meist nur kurz dauern und nicht zum Sturz führen, lösen in vielen Fällen Angst aus. Die Symptome lassen sich mit einer psychosomatischen Therapie gut behandeln.
Essstörungen – zu viel, zu wenig
Lange Zeit galten Bulimie (Ess-Brech-Sucht) und Magersucht als die wichtigen beiden Essstörungen, die vor allem Mädchen und junge Frauen betreffen. Inzwischen gewinnt noch eine dritte Störung an Bedeutung: die Ess-Sucht.
Doch ganz gleich ob zu dick, zu dünn oder durch Ess-Brech-Anfälle normalgewichtig – alle drei Erscheinungsformen sind Verhaltensstörungen, bei denen sich die Betroffenen ständig gedanklich und emotional mit dem Essen beschäftigen.
Magersüchtige versuchen ihr Körpergewicht möglichst niedrig zu halten. Dadurch entstehen Unter- und Mangelernährung sowie Muskelschwund. Die Ursachen der Magersucht sind noch immer weitgehend unbekannt. In etwa zehn Prozent aller Fälle verläuft die "Anorexia nervosa" tödlich.
Bei der Bulimie (Bulimia nervosa) treten zunächst Essattacken auf, bei denen die Betroffenen fast wahllos große Mengen an Nahrung in sich hineinstopfen, oft sogar ohne zu kauen und ohne dass sich ein Sättigungsgefühl einstellt. Das Essen wird danach absichtlich wieder erbrochen, wodurch langfristig Schäden wie Karies, Mangelerscheinungen und Schädigungen der Speiseröhre entstehen. Als Ursachen gelten unter anderem psychische und familiäre Belastungen.
Übergewicht oder Fettsucht (Adipositas) trifft inzwischen vermehrt Kinder und Jugendliche. Zu starkes Übergewicht durch Ess-Sucht kann zahlreiche Folgeerkrankungen wie Diabetes, Stoffwechselstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und anderes nach sich ziehen.
Bei allen drei Formen liegen psychosoziale Störungen vor, die meist in Fachkliniken behandelt werden müssen, wobei die Therapieansätze sich grundsätzlich unterscheiden.
Bei Übergewicht werden Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapien angewandt. Bei der Bulimie wird auf psychischer und verhaltensbedingter Ebene angesetzt. Bei Magersucht geht es oft darum, zunächst das lebensbedrohlich niedrige Gewicht zu normalisieren, ehe mit einer Therapie begonnen werden kann.