Können Blinde Feinschmecker sein?
Wer kennt sie nicht, die Volksweisheit nach der "die Augen mitessen"? Das Aussehen, die Dekoration einer Speise – jeder gute Koch beherzigt diese Weisheit. Schon wenn wir schöne Speisen sehen, kommt der Appetit. Sehen, Schmecken und Riechen zusammen sind die Urteilsmaßstäbe für jedes Essen. Heißt das umgekehrt, dass Blinde nicht zu den Feinschmeckern zählen können, weil ihnen die optische Beurteilung für die Speise fehlt?
Tatsache ist, dass Blinden der Zugang zu gutem Essen nicht leicht gemacht wird. Schon der Weg in die Restaurants ist oft mit Hürden versehen. Ohne sehende Begleitung müssen Speisekarten vom Kellner vorgelesen werden. Selbst dann bleiben dem Blinden außergewöhnliche Menü-Kreationen verborgen.
Was Sehende mit Auge und Geruchssinn in geschmackliche Kategorien sortieren, bereitet Blinden erhebliche Schwierigkeiten. Eigentlich müssten sie die Speisen abtasten, um sich ein Bild fürs innere Auge zu machen.
Barrieren in Restaurants
Schon der Standort von Teller, Besteck und Gläsern ist für den Blinden nicht einfach herauszufinden. Es erfordert von ihm weit mehr Konzentration als für Sehende. Die Konzentration aufs Essen, auch ohne Augenlicht, kann jedoch zu beachtlicher Entwicklung des Geschmacksinns führen.
Ein fehlender optischer Eindruck wird durch intensiveren Geruchs- und Geschmackseindruck von einer Speise kompensiert. Interessant wäre ein von blinden Feinschmeckern geschriebener Restaurantführer. Ob die wohl Gourmettempel anders bewerten würden?
Bleibt das Problem, dass es Blinden nicht gerade leicht gemacht wird, sich in Restaurants zurechtzufinden. Speisekarten in Blindenschrift und ein freundlicher Kellner, der sagt, was sich wo auf Tisch und Teller befindet, wären eine einfache Hilfe.
Wer ausprobieren will, wie es Blinden im Restaurant ergeht, kann dies mittlerweile in vielen deutschen Großstädten tun. Dort gibt es Restaurants, in denen man in absoluter Dunkelheit speisen kann.
Quelle: SWR | Stand: 04.05.2020, 15:00 Uhr