Europas erste Wahlen
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit: Die Französische Revolution ist die Geburtsstunde des modernen Wahlrechts in Europa. Ab 1789 dürfen Bürger mit ihrer Wahl die Gesellschaft mitbestimmen – jedoch nur die Männer.
Schon damals protestieren Frauen gegen diese Ungerechtigkeit. Allen voran die Frauenrechtlerin Olympe de Gouges: "Das Gesetz soll Ausdruck des Willens aller sein; alle Bürger und Bürgerinnen sollen persönlich oder über ihren Vertreter zu seiner Entstehung beitragen."
Die Macht der Männer
Es wird ein harter und langer Kampf, bevor Frauen in Europa für sich das aktive und passive Wahlrecht erlangen; dass sie also frei wählen und sich auch als Kandidatin wählen lassen können.
Die Vorurteile der Männer sind hartnäckig: Frauen seien nicht intelligent genug und zu emotional, um in der Politik mitreden zu dürfen. Ihre wahre Bestimmung sei es, Kinder zu gebären.
"Wir glauben, unsere Töchter haben etwas Besseres zu wählen als einen Abgeordneten, nämlich ihren Ehegatten. Und wenn sie damit fertig sind, dann haben sie ihre Kinder zu erziehen und sie zu guten, brauchbaren, tüchtigen, strammen Preußen und Deutschen zu machen."
Diese Worte des Abgeordneten Ernst-August Ahrens aus dem Jahr 1913 spiegeln wider, was viele seiner Zeitgenossen damals denken.
Frauenpower in Deutschland!
Um 1900 wird der Ruf nach Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau an vielen Orten in Europa lauter. In Deutschland fordern vor allem Feministinnen und Frauen aus der SPD ihr Recht zu wählen. Mit Flugblättern, Protestaktionen und Frauenkongressen machen sie auf die Ungerechtigkeit aufmerksam.
In Finnland sind die Frauen zu diesem Zeitpunkt bereits weiter. Als erstes Land in Europa wird dort 1906 das Frauenwahlrecht eingeführt. Norwegen folgt 1913, Dänemark und Island 1915.
1918 ist es dann auch in Deutschland endlich soweit: Im November 1918 wird das Wahlrecht für Frauen eingeführt. Und im Januar 1919 können Frauen erstmalig die deutsche Nationalversammlung wählen und sich als Abgeordnete wählen lassen.
Die Frauen machen von ihrem Recht regen Gebrauch: Ihre Wahlbeteiligung liegt bei 82 Prozent. 37 Frauen werden in die Nationalversammlung gewählt.
In der ersten Rede einer Frau in der Nationalversammlung stellt die Abgeordnete Marie Juchacz selbstbewusst fest: "Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit; sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist."
Rückschritt im Nationalsozialismus
Dass in Deutschland Frauen durch Wahlen ungehindert Einfluss auf die Politik nehmen können, währt nicht lange. Bereits 1921 legt sich die Nazi-Partei NSDAP darauf fest, Frauen nicht in die Parteiführung aufzunehmen.
Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kommen, entziehen sie den Frauen das passive Wahlrecht. Damit dürfen Frauen zwar weiterhin wählen, aber nicht mehr selbst für politische Ämter kandidieren.
Indem man sie aus gehobenen Berufen herausdrängt, verlieren sie an gesellschaftlichem Einfluss. Die Nationalsozialisten beleben das alte Frauenbild wieder: Die Rolle des weiblichen Geschlechtes sei es, Mutter und Hausfrau zu sein.
Gleichstellung nach dem Krieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg muss Deutschland politisch neu anfangen. Dafür bedarf es zunächst einer Verfassung. 1948 tritt deshalb in Westdeutschland der Parlamentarische Rat zusammen. Unter den 65 Abgeordneten sind vier Frauen, darunter die Juristin Dr. Elisabeth Selbert.
Besonders ihrer Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass der Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" ins Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (BRD) aufgenommen wird. Er zementiert bis heute das Recht der Frauen, sowohl zu wählen als auch selbst für politische Ämter zu kandidieren.
Dass einige der männlichen Kollegen im Parlament weiterhin nichts von Frauen in der Politik halten, bekommen die weiblichen Abgeordneten noch lange zu spüren. So wird Elisabeth Schwarzhaupt 1961 zwar die erste weibliche Ministerin. Das jedoch nur, weil ihre Parteifreundinnen vorher, mit einer Sitzblockade vor der Kabinettstür, den damaligen Bundeskanzler Adenauer unter Druck setzen.
Frauen in der Politik heute
Auch wenn Frauen heute ganz selbstverständlich an die Wahlurne gehen, ist Politik oft noch männlich dominiert. Im Deutschen Bundestag waren noch nie mehr als 37 Prozent der Abgeordneten weiblich. Unter den 16 Ministerpräsidenten der Länder gibt es nur wenige Frauen. In einem Ranking über den Frauenanteil in Länderparlamenten weltweit lag Deutschland im Jahre 2018 auf einem enttäuschenden 45. Platz.
(Erstveröffentlichung 2018. Letzte Aktualisierung 22.10.2019)